Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

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Vreußen und der norddeutsche Pund. 
und damit den Ausgangspunkt französischer Angriffe weiter zurückzulegen und 
die Festungen, mit denen Frankreich uns bedroht, als defensive Bollwerke in 
die Gewalt Deutschlands zu bringen suchen.“ 
II. „Meaux, 16. Sept. 1870. Eurer 2rc. ist das Schriftstück bekannt, 
welches Hr. Jules Favre im Namen der jetzigen Machthaber in Paris, welche 
sich selbst das Gouvernement de la défense nationale nennen, an die Ver- 
treter Frankreichs im Auslande gerichtet hat. Gleichzeitig ist es zu meiner 
Kenntniß gekommen, daß Hr. Thiers eine vertrauliche Mission an einige aus- 
wärtige Höfe übernommen hat, und ich darf voraussetzen, daß er es sich zur 
Aufgabe machen wird, einerseits den Glauben an die Friedensliebe der jetzigen 
Pariser Regierung zu erwecken, andererseits die Intervention der neutralen 
Mächte zu Gunsten eines Friedens zu erbitten, welcher Deutschland der Früchte 
seines Sieges berauben und jeder Friedensbasis, welche eine Erschwerung des 
nächsten französischen Angriffs auf Deutschland enthalten könnte, vorbeugen 
soll. An eine ernstliche Absicht der jetzigen Pariser Regierung, dem Krieg ein 
Ende zu machen, können wir nicht glauben, solange dieselbe im Innern fort- 
fährt, durch ihre Sprache und ihre Acte die Volksleidenschaft aufzustacheln, 
den Haß und die Erbitterung der durch die Leiden des Kriegs an sich gereizten 
Bevölkerung zu steigern, und jede für Deutschland annehmbare Basis als für 
Frankreich unannehmbar im Voraus zu verdammen. Sie macht sich dadurch 
selbst den Frieden unmöglich, auf den sie durch eine ruhige und dem Ernst 
der Lage Rechnung tragende Sprache das Volk vorbereiten müßte, wenn wir 
annehmen sollten, daß sie ehrliche Friedensverhandlungen mit uns beabsichtige. 
Die Zumuthung, daß wir jetzt einen Waffenstillstand ohne jede Sicherheit für 
unsere Friedensbedingungen abschließen sollten, könnte nur dann ernsthaft ge- 
meint sein, wenn man bei uns Mangel an militärischem und politischem Ur- 
theil oder Gleichgiltigkeit gegen die Interessen Deutschlands voraussetzte. Da- 
neben besteht ein wesentliches Hinderniß für die Franzosen, die Nothwendigkeit 
des Friedens mit Deutschland ernstlich ins Auge zu fassen, in der von den 
jetzigen Machthabern genährten Hoffnung auf eine diplomatische oder materielle 
Intervention der neutralen Mächte zu Gunsten Frankreichs. Kommt die fran- 
zösische Nation zur Ueberzeugung, daß, wie sie allein den Krieg willkürlich her- 
aufbeschworen hat, und wie Deutschland ihn allein hat auskämpfen müssen, 
so sie auch mit Deutschland allein ihre Rechnung abschließen muß, so wird sie 
dem jetzt sicher nutzlosen Widerstande bald ein Ende machen. Es ist eine Grau- 
samkeit der Neutralen gegen die französische Nation, wenn sie zulassen, daß die 
Pariser Regierung im Volke unerfüllbare Hoffnungen auf Intervention nähre 
und dadurch den Kampf verlängere. Wir sind fern von jeder Neigung zur 
Einmischung in die inneren Verhältnisse Frankreichs. Was für eine Regierung 
sich die franz. Nation geben will, ist für uns gleichgiltig. Formell ist die 
Regierung des Kaisers Napoleon bisher die allein von uns anerkannte. Unsere 
Friedensbedingungen, mit welcher zur Sache legitimirten Regierung wir die- 
selben auch mögen zu verhandeln haben, sind ganz unabhängig von der Frage, 
wie und von wem die französische Nation regiert wird, sie sind uns durch die 
Natur der Dinge und das Gesetz der Nothwehr gegen ein gewaltthätiges und 
friedloses Nachbarvolk vorgeschrieben. Die einmüthige Stimme der deutschen 
Regierungen und des deutschen Volkes verlangt, daß Deutschland gegen die 
Bedrohungen und Vergewaltigungen, welche von allen französischen Regierun- 
gen seit Jahrhunderten gegen uns geübt wurden, durch bessere Grenzen als 
bisher geschützt werde. So lange Frankreich im Besitze von Straßburg und 
Metz bleibt, ist seine Offensive strategisch stärker, als unsere Defensive bezüglich 
des ganzen Südens und des linksrheinischen Nordens von Deutschland. Straß- 
burg ist, im Besitze Frankreichs, eine stets offene Ausfallpforte gegen Süd- 
deutschland. In deutschem Besitze gewinnen Straßburg und Metz dagegen einen 
defensiven Charakter. Wir sind in mehr als 20 Kriegen niemals die Angreifer 
gegen Frankreich gewesen, und wir haben von letzterem nichts zu begehren, als
	        
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