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Preußen und der norddeutsche Bund.
Regierung gab im Laufe des September dem Bundespräsidium zu erkennen,
daß die Entwickelung der politischen Verhältnisse Deutschlands, wie sie durch
die kriegerischen Ereignisse herbeigeführt sei, nach ihrer Ueberzeugung es
bedinge, von dem Boden der völkerrechtlichen Verträge, welche bisher die süd-
deutschen Staaten mit dem norddeutschen Bunde verbanden, zu einem Verfas-
sungsbündnisse überzugehen. Sie verband mit dieser Mittheilung den Aus-
druck des Wunsches, mit einem Bevollmächtigten des Präsidiums über die Vor-
schläge in Besprechung zu treten, welche sie zur Ausführung ihres Gedankens
vorbereitet hatte. Das Präsidium beeilte sich, diesem Wunsche zu entsprechen,
und es wurde mir der Befehl zu Theil, mich zu diesem Zwecke nach München
zu begeben. Der Zweck war nicht eine Verhandlung, sondern eine Anhörung
der Vorschläge, die von der k. bayer. Regierung vorbereitet waren, eine Be-
sprechung dieser Vorschläge aus der Kenntniß der Verhältnisse heraus, die mir
meiner Stellung nach beiwohnte; die einzige Instruction, welche ich erhielt, war
die, mich jeder Aeußerung zu enthalten, welche gedeutet werden könnte, als ob
das Präsidium im jetzigen Momente gesonnen sei, auf die freien Entschließungen
eines treuen und bewährten Alliirten auch nur den entferntesten Druck auszu-
üben. Die Besprechungen in München fanden Statt und wurden wesentlich
gefördert dadurch, daß die k. württemb. Negierung durch eines ihrer Mitglie-
der an diesen Besprechungen Theil nahm. Während das Ergebniß dieser Be-
sprechungen der Erwägung des Bundespräsidiums unterlag, wurde von Stutt-
gart aus der Wunsch ausgesprochen, die in München eingeleiteten Besprechun-
gen in Versailles fortzusetzen und zu ergänzen, zu ergänzen namentlich nach
der militärischen Seite hin, indem der k. württemb. Vertreter in München
nicht in der Lage gewesen war, sich über diesen vorzugsweise wichtigen Theil
der Verfassung weiter als in einigen allgemeinen Andeutungen zu äußern.
Gleichzeitig mit dieser Anregung erfolgte der officielle Antrag Badens auf
Eintritt in den norddeutschen Bund. Das Präsidium konnte nicht zögern,
diesen Anregungen zu entsprechen und sowohl die k. württembergische als die
großh. badische Regierung zur Entsendung von Bevollmächtigten nach Ver-
sailles einzuladen. Es gab gleichzeitig davon nach München Nachricht, indem
es zur Wahl stellte, entweder ebenfalls in Versailles die Münchener Besprech-
ungen fortzusetzen, oder wenn es vorgezogen werden sollte, das Ergebniß der
Verhandlungen mit den anderen dort vertretenen deutschen Staaten abzuwarten,
um sodann die Verhandlungen in München wieder aufzunehmen. Endlich er-
klärte auch die großh. hessische Regierung ihren Entschluß, mit dem südlichen
Theile ihres Gebietes in den Bund einzutreten, und so geschah es, daß in der
zweiten Hälfte des Octobers Vertreter der sämmtlichen süddeutschen Staaten
in Versailles zusammentraten, um über die Gründung eines deutschen Bundes zu
verhandeln. Die Verhandlungen mit Württemberg, mit Baden und mit
Hessen führten sehr bald zu der Ueberzeugung, daß es ohne große Schwierig-
keiten gelingen werde, auf Grundlage der Verfassung des norddeutschen Bundes
zu einer Verständigung zu gelangen; die Verhandlungen mit Bayern boten
Anfangs größere Schwierigkeiten, und es war auf den eigenen Wunsch der k.
bayerischen Bevollmächtigten, daß zunächst die Verhandlungen mit den drei
anderen süddeutschen Staaten fortgesetzt wurden. Die kgl. bayerischen Bevoll-
mächtigten fühlten das Bedürfniß, nicht ihrerseits durch die sich darbietenden
Schwierigkeiten den Abschluß mit den anderen Staaten zu verzögern. So
kam es, daß gegen Mitte November die Verständigung mit den drei anderen
süddeutschen Staaten zum Abschluß gekommen war. Ein unvorhergesehener
Zufall verhinderte es, daß gleich am 15. Nov. Württemberg an der mit ihm
bereits in allen Hauptpunkten festgesetzten Verständigung theilnahm. Es wurde
deßhalb zunächst mit Baden und mit Hessen abgeschlossen. Während dem wur-
den die Verhandlungen mit Bayern wieder ausgenommen oder fortgesetzt; sie
führten rascher, als es Anfangs erwartet werden durfte, zum Abschluß, der
in dem Vertrage vom 23. Nov. vorliegt. Am 25. Nov. erfolgte alsdann auf