Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

Preußen und der norddeutfche Vund. 131 
Grund der in Versailles bereits festgestellten Verständigung der Abschluß mit 
Württemberg. Ich habe geglaubt, auf diesen historischen Hergang auch aus 
einem sachlichen Grunde eingehen zu müssen, nämlich deßhalb, weil ich es be- 
tonen möchte, daß die Verträge, wie sie jetzt historisch hinter einander liegen, 
nicht dem Gedanken nach hinter einander entstanden sind. Als mit Württem- 
berg, Baden und Hessen verhandelt wurde, waren die Wünsche Bayerns be- 
kannt. Es fand von Seiten des Präsidiums keinen UAnstand, einer Zahl dieser 
Wünsche sofort zu entsprechen. Es wurde davon, wie es nicht anders sein 
konnte, den übrigen verhandelnden Staaten Mittheilung gemacht; sie eigneten 
sich die bayerischen Amendements an, und so sind in dem ersten Ihnen vor- 
liegenden Vertrage in die Anlage des Protokolls vom 15. Nov. eine Anzahl 
Bestimmungen aufgenommen, welche eigentlich, wenn ich so sagen darf, baye- 
rischen Ursprungs sind, welche der Initiative Bayerns ihren Ursprung ver- 
danken. Ob sie von anderer Seite gebracht sein würden, wenn sie nicht von 
Bayern gebracht worden wären, das habe ich anheimzustellen. Indessen die 
Thatsache möchte ich hier constatiren, weil sie für die Beurtheilung des Ganzen, 
wie ich glaube, nicht ohne Interesse ist. Ich mache auf diesen Hergang aus 
einem zweiten Grunde aufmerksam, nämlich um zu erklären, weßhalb in dem 
Bertrage mit Bayern vom 23. Nov. verschiedene formelle Incongruenzen mit 
der Anlage des Protokolls vom 15. Nov. und mit dem Inhalte des Ver- 
trages vom 25. Nov. sich vorfinden. Während der Sitz der Verhandlungen 
inzwischen nach Berlin verlegt war, wurde mit Bayern in Versailles verhan- 
delt, und so ist es gekommen, das über dieselben Gegenstände in etwas ver- 
schiedenen Ausdrücken hier und da verhandelt ist, und daß es nothwendig wurde, 
dem Schlußprotokolle mit Bayern eine Clausula salvatoria hinzuzufügen, 
welche die Natur dieser nicht beabsichtigten, sondern durch die Natur der Dinge 
herbeigeführten Incongruenzen constatirte. Wenn ich mich nun zur Sache selbst 
wende, so glaube ich vorausschicken zu müssen, daß es bei den Verhandlungen 
nicht unerwogen geblieben ist, ob es sich empfehle, in die neue Verfassung Be- 
stimmungen aufzunehmen, welche, unabhängig von der in Aussicht genommenen 
Erweiterung des Bundesgebietes, die eigentlich verfassungsmäßige Ausbildung 
des Bundes zum Gegenstand hätten. Ich glaube, die zwei Fragen, die hier 
vorzugsweise in Betracht kommen mußten, nicht bezeichnen zu sollen; sie liegen 
in aller Munde. Man glaubte indessen, daß, ohne die Bedeutung dieser Fragen 
zu unterschätzen, ohne die Nothwendigkeit der Ordnung dieser Fragen im Laufe 
der Zeit irgendwie verneinen zu wollen, der jetzige Augenblick nicht dazu ge- 
eignet sei, um diese an sich schwierigen, zum Theil zwar viel besprochenen, aber 
noch wenig vorbereiteten Fragen zum Abschluß zu bringen. Man ging davon 
aus, daß es richtiger sei, jetzt sich auf das zu beschränken, was unmittelbar 
durch den Beitritt der süddeutschen Staaten geboten sei, und den weiteren in- 
neren Verfassungsbau dem Zusammenwirken des zukünftigen deutschen Bundes- 
rathes mit dem künftigen deutschen Reichstage zu überlassen. So bewegen sich 
denn die vorliegenden Verträge auf der Grundlage der Verfassung des nord- 
deutschen Bundes und beschränken sich darauf, in diese Verfassung dasjenige 
hineinzutragen, was durch die Erweiterung des Bundes unmittelbar geboten 
war. Wenn ich sage, die vorliegenden Verträge schließen sich an den Inhalt 
der Bundesverfassung an, so hebe ich dabei besonders hervor, weil man viel- 
leicht darüber zweifeln könnte, daß zu dem Inhalt der Bundesverfassung nach 
allen diesen Verträgen auch der Eingang der Bundesverfassung gehört. Es 
könnte aus der Fassung der Erwägungsgründe in dem préambule des Ver- 
trages mit Bayern hergeleitet werden, daß der Eingang unserer norddeutschen 
Bundesverfassung, der wörtlich übernommen ist in den Eingang der dem Pro- 
tokolle vom 15. Nov. beigefügten Bundesverfass ung, verändert sei. Das ist 
nicht der Fall. Diese Considerants in dem Eingange des Vertrages mit Bayern 
sind Considerants, wie sie in einem solchen Vertrage üblich sind. Acceptirt ist 
unbedingt mit der Verfassung auch deren Eingang. Die Aenderungen nun, 
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