Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

142 Preußen und der norddeutsche Bund. 
19. Dez. (Der Krieg). Die Badenser erstürmen Nuits. 
„ „ (Nordd. Bund). Uebergabe der Adresse des Reichstags durch 
die sog. Kaiserdeputation an den König von Preußen in Versailles. 
Anrede des Präsidenten Simson:„, Ew. Maojestät empfangen 
die Abgeordneten des Reichstags in einer Stadt, in welcher mehr als ein 
verderblicher Heereszug gegen unser Vaterland ersonnen und ins Werk gesetzt 
worden ist. Nahe bei derselben sind unter dem Drucke fremder Gewalt die Ver- 
träge geschlossen, in deren unmittelbarer Folge das Reich zusammenbrach. Und 
heute darf die Nation von eben dieser Stelle her sich der Zusicherung getrö- 
sten, daß Kaiser und Reich im Geist einer neuen lebensvollen Gegenwart wie- 
der aufgerichtet und ihr, wenn Gott ferner hilft und Segen gibt, in beidem 
die Gewißheit von Einbeit und Macht, von Recht und Gesetz, von Freiheit 
und Frieden zu Theil werde.“ 
Antwort des Königs von Preußen: „Indem ich Sie hier auf 
fremdem Boden, fern von der deutschen Grenze, empfange, ist es mir das 
erste Bedürfniß, meiner Dankbarkeit gegen die göttliche Vorsehung Ausdruck 
zu geben, deren wunderbare Fügung uns hier in der alten französischen 
Königsstadt zusammenführt. Gott hat uns Sieg verliehen in einem Maße, 
wie ich es kaum zu hoffen und zu bitten wagte, als ich im Sommer dieses 
Jahres zuerst Ihre Unterstülzung für diesen schweren Krieg in Anspruch nahm. 
Diese Unterstützung ist mir in vollem Maße zu Theil geworden, und ich spreche 
Ihnen den Dank dafür aus in meinem Namen, im Namen des Heeres, 
im Namen des Vaterlandes. Die siegreichen deutschen Heere, in deren Mitte 
Sie mich aufgesucht haben, fanden in der Opferwilligkeit des Vaterlandes, 
in der treuen Theilnahme und Fürsorge des Volkes ihre Ermuthigung in 
schweren Kämpfen und Entbehrungen. Die Gewährung der Mittel, welche 
die Regierungen des norddeutschen Bundes noch in der eben geschlossenen 
Session des Reichstags für die Fortsetzung des Krieges verlangten, hat mir 
einen neuen Beweis gegeben, daß die Nation entschlossen ist, ihre volle Kraft 
dafür einzusetzen, daß die großen und schmerzlichen Opfer, welche mein Herz 
wie das Ihrige tief bewegen, nicht umsonst gebracht sein sollen, und die Waf- 
sen nicht aus der Hand zu legen, bis Deutschlands Grenze gegen künftige 
Angriffe sicher gestellt ist. Der norddeutsche Reichstag, dessen Grüße und 
Glückwünsche Sie mir überbringen, ist berufen gewesen, noch vor seinem 
Schluß zu dem Werke der Einigung Deutschlands entscheidend mitzuwirken. 
Ich bin demselben dankbar für die Bereitwilligkeit, mit welcher er fast ein- 
müthig seine Zustimmung zu den Verträgen ansgesprochen hat, welche der 
Einheit der Nation einen organischen Ausdruck geben werden. Der Reichstag 
hat, gleich den verbündeten Regierungen, diesen Verträgen in der Ueberzeugung 
zugestimmt, daß das gemeinsame staatliche Leben der Deutschen sich um so 
segensreicher entwickeln werde, als die für dasselbe gewonnenen Grundlagen 
von unsern süddeutschen Bundesgenossen aus freier Entschließung, nach Maß- 
gabe ihrer eigenen Würdigung des nationalen Bedürfnisses, bemessen und dar- 
geboten worden sind. Ich hoffe, daß die Vertretungen der Staaten, denen jene 
Verträge noch vorzulegen sind, ihren Regierungen auf den betretenen Wegen 
folgen werden. Mit tiefer Bewegung hat mich die durch Se. Maj. den König 
von Bayern an mich gelangte Aufforderung zur Herstellung der Kaiserwürde 
des alten deutschen Reichs erfüllt. Sie, meine Herren, bringen mir im Namen 
des norddeutschen Reichstages die Bitte, daß ich mich dem an mich ergehenden 
Rufe nicht entziehen möge. Ich nehme gern aus Ihren Worten den Aus- 
druck des Vertrauens und der Wünsche des norddeutschen Reichstages entgegen. 
Aber Sie wissen, daß in dieser so hohe Interessen und so große Erinnerungen 
der deutschen Nation berührenden Frage nicht mein eigenes Gefühl, auch nicht 
mein eigenes Urtheil meinen Entschluß bestimmen kann: nur in der einmüthi- 
gen Stimme der deutschen Fürsten und freien Städte und in dem damit über-
	        
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