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Preusien und der norddeutsche Vund.
Legislaturperiode 16 Mitglieder gezählt, von denen 11 nicht wiedergewählt
sind. Einige wenige neue Mitglieder dürften als zu derselben Nichtung ge-
hörig betrachtet werden, doch wird die Bildung einer selbständigen Fraction
vermuthlich nicht erfolgen. Ein ungleich stärkerer Wechsel hat bei den Con-
ser vativen Statt gefunden. Von den 119 Mitgliedern der altconservativen
Fraction sind nur 39, von den 50 Freiconservativen nur 23 frühere Abge-
ordnete wiedergewählt. Es sind jedoch von den neugewählten Mitgliedern bis
jetzt etwa 56 der altconservativen und etwa 22 der freiconservativen Fraction
beigetreten, so daß die erstere um etwa 19 Mitglieder, die zweite um elwa
5 Mitglieder schwächer ist, als die Zahl in der vorigen Legislaturperiode war.
Demgemäß hat außer den Polen unter allen schon früher gebildet gewesenen
Fractionen die national-liberale allein an Mitgliedern zugenommen; auch hat
sie bei Weitem die meisten Wiederwahlen aufzuweisen. Völlig neu entstanden
ist die Fraction, welche sich die „Verfassungspartei“ nennt, aber ausschließlich
aus clericalen Katholiken von verschiedener politischer Parteirichtung
besteht. Sie zählt in ihrer Mitte Particularisten, Conser vative und Liberale
verschiedener Schattirung und nur das clerical-katholische Interesse ist ihr
Bindeglied. Diese Fraction hat sich recrutirt aus einigen katholischen Mit-
gliedern, welche schon früher dem Abgeordnetenhause angehört haben, meist
aber aus Neugewählten in solchen Kreisen Preußens, Schlesiens und besonders
Sestphalens und des Rheinlandes, in denen es den Clericalen gelungen ist,
Mitglieder aller übrigen Parteien zu verdrängen. Die Zahl der eingeschrie-
benen Mitglieder soll etwa 55 betragen; doch halten sich auch einzelne nicht
eingeschriebene Abgeordnete zu dem clerical-katholischen Interesse, welches diese
Fraction vertritt. Etwa 90 Mitglieder haben sich noch keiner bestehenden
Fraction angeschlossen; darunter befinden sich die etwa 20 Abgeordneten, welche
früher dem linken Centrum und den Altliberalen zugehört haben. Es ist
bis jetzt noch unentschieden, ob die größere Zahl den Coenservativen oder den
Liberalen angehört.
23. Dez. (Der Krieg). Sieg des Generals Manteuffel über die fran-
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zösische Nordarmee unter Faibherbe an der L'Hallu bei Amiens. Die
Nordarmee zieht sich nach Douai und Arras zurück.
„ (Nordd. Bund). Eine Depesche des Vundeskanzlers, in
Antwort auf eine solche des englischen Cabinets vom 17. Dezember
präcisirt die gegenüber Luxemburg durch die Note vom 3. d. Mts.
eingenommene Stellung des näheren.
Lord Granville hatte mit Befriedigung constatirt, daß Preußen den Ver-
trag vom 11. Mai 1867 nicht einfach gekündigt, sondern sich in Folge der
angegebenen Neutralitätsverletzungen Luxemburgs seinerseits wegen der mili-
tärischen Operationen zur Sicherung der deutschen Truppenbewegungen freie
Hand gewahrt habe und glaubte voraussetzen zu dürfen, daß sich Preußen
vorher mit den Mitcontrahenten verständigen werde. Die Antwort des Bun-
deskanzlers bestätigt nunmehr, daß keine Vertragskündigung stattgefunden
habe, macht aber mit besonderer Präcision darauf aufmerksam, daß wegen der
militärischen Operationen unmöglich in dem gegebenen Fall eine vorgängige
Anfrage bei den Mitcontrahenten erfolgen könne, wie denn z. B. dem Mar-
schall Mac Mahon, wenn er zur Unterstützung Bazaine's durch Belgien und
Luxemburg nach Metz vorgedrungen wäre, die deutschen Truppen hätten fol-
gen müssen. Auf die Bemerkung Granville's: daß die angeführten Neutra-
litätsverletzungen vorübergehender Natur seien, und sich nicht wiederholen
würden, wird mit dem Hinweis geantwortet: daß, wenn sich bei der Belage-
rung von Longwy das wiederhole, was sich vor Thionville ereignet, eine Be-
setzung des luxemburgischen Gebiets erfolgen würde. Auch gedenkt der Bun-