Die süddeutschen Staaten. 149
stellen werden. Noch andere Vorlagen von Bedeutung werden erfolgen. Be-
seelt von dem Wunsche, daß die Wahlen zum Landtage einen getreuen Aus-
druck der im Volke lebenden Ueberzeugung bieten, habe ich meine Regierung
beauftragt, Ihnen den Entwurf eines Wahlgesetzes auf der Grundlage
des direkten Wahlrechtes vorzulegen.
17.—18. Jan. (Baden). II. Kammer: Berathung des sog. Stiftungs-
gesetzes betr. Ausscheidung zwischen kirchlichen und milden Stiftungen,
von denen die letzteren in weltliche Verwaltung übergehen sollen.
Noßhirt verlangt Beseitigung der ganzen Vorlage durch Stellung
der Vorfrage. Die Kammer lehnt den Antrag gegen die fünf ultra-
montanen Mitglieder ab, welche darauf den Saal verlassen, und
nimmt das Gesetz mit allen gegen 3 Stimmen an.
19. „ (Bayern). Der Domprobst J. J. v. Döllinger erläßt in der
Allg. Augsb. Ztg. unter dem Titel „Einige Worte über die Unfehl-
barkeitsadresse“ eine sehr entschlessene Erklärung gegen die Adresse
der Majorität des sog. vaticanischen Concils an den Papst: daß er
die erforderlichen Schritte thun möge, um seine eigene Unfehlbarkeit
zum Glaubensartikel erheben zu lassen (s. Rom).
25. „ (Bayern). Der Magistrat von München beschließt mit 22
gegen 6 Stimmen, dem Stiftsprobst v. Döllinger, in Folge seiner
öffentlichen Erklärung gegen die päpstliche Unfehlbarkeit, das Ehren-
bürgerrecht der Stadt zu ertheilen. Die Gemeindebevollmächtigten
stimmen mit 23 gegen 12 Stimmen zu. Döllinger lehnt die Ehre ab,
oum diese durchweg religiöse Frage ihrer naturgemäßen innerkirchlichen
Stellung nicht entrücken und auf ein ihr fremdes Gebiet hinüberziehen zu lassen."
Derselbe erklärt zugleich: „Ich habe den fraglichen Artikel veröffentlicht,
weil ich mich als öffentlicher Lehrer, als Senior der theologischen Professoren
Deutschlands in einer gespannten Zeit und wahrhaft beängstigenden Lage dazu
berufen glaubte. Ich habe es gethan in dem beruhigenden Bewußtsein,
mit der großen Mehrheit der deutschen Bischöfe, zu welcher auch
mein eigener verehrter Oberhirte gehört, im Wesen der Frage einig zu
sein, und in dem Drange, das, was ich einst als Lehre der Kirche empfan-
gen, was ich 47 Jahre lang als solcher vorgetragen, nun am Abende meines
Lebens in einem Momente drohender Verdunkelung oder Verunstaltung offen
zu bekennen. Endlich auch — warum soll ich es nicht sagen? — in der Hoff-
nung, daß mein Wort, meine Hinweisung auf die Irrthümer eines durch 400
Unterschriften verbürgten Documentes, selbst dort, wo gegenwärtig über die
ganze Zukunft der Kirche entschieden werden soll, noch bevor die Würfel ge-
fallen sind, vielleicht doch einige Beachtung finden werde."“
27. „ (Bayern). II. Kammer: Adreßcommission. Der Regierungs-
Commissär, Frhr. v. Völderndorff, erörtert die Frage des casus
foederis.
also die völkerrechtliche Frage, ob in einem concreten Fall die Verpflichtung
Bayerns aus dem Schutz= und Trutzbündnisse mit Preußen mit oder ohne
Prüfung begründet sei, und constatirt die Thatsache, daß in der Luxemburger
Frage Bayern diese Entscheidung bereits einmal ausgeübt habe, nimmt also
das Recht der Prüfung in Anspruch. (Wie dieselbe damals ausfiel, ist für
die staatsrechtliche Frage gleichgiltig. Allerdings ist es ein öffentliches Geheim-
niß, daß die bayerische Regierung damals, auf den Entschluß des Königs hin,