Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

Die süddeutschen Staaten. 169 
wird auf Reuß-Greiz und Reuß-Schleiz und wie die kleinen Staaten alle heißen. 
Aber nachdem wir nun einmal nicht in dem Bunde sind, wächst von Tag zu 
Tag die Gefahr, daß der nordd. Bund zuletzt in einen förmlichen Einheitsstaat über- 
geht, und glauben Sie, daß dieser Einheitsstaat dann am Main stehen bleiben 
wird? Der Vundesstaat thut es, der Einheitsstaat aber thäte es nimmermehr. 
Man wird den rechten Zeitpunkt suchen, man wird uns dann auch uniren, 
und der Einheitsstaat, das einheitliche, aber vielleicht leider auch centralisirte 
Deutschland, wird die Folge sein. Die deutschen Völker könnten sich vielleicht 
nach Generationen über diesen Wechsel der Dinge trösten unter Einer Voraus- 
setzung, wenn der Einheitsstaat eben nicht centralisirt würde, sondern wenn an 
die Stelle der autonomen Staaten, autonome Provinzen treten würden. Aber 
die Dynastien würden bei diesem Wechsel am meisten verlieren. Mir liegt 
daran, daß der Staat Bayern erhalten werde. Ich will nicht auf kühne 
Experimente mich einlassen,, ir ist es lieber, wir haben einen gesicherten 
Staatenbund mit möglichst selbständigen Einzelnstaaten, als wir haben einen 
Einheitsstaat, von dem ich noch nicht weiß, ob er centralisirt sein wird., Trotz 
allcdem muß ich Ihnen das Eine noch sagen: halten Sie uns fut keine 
Schwärmer, unsere Hoffnung, daß wir mit unseren Anträgen etwas erreichen 
werden, ist nicht groß. Daß Sie diese Anträge nicht annehmen werden, da— 
von sind wir vollständig überzeugt. Wir glauben aber auch leider, es wird 
schwer halten, daß die bayerische Regierung in unserer Richtung vorgehen wird. 
Wenn sie es nicht thut, so unterläßt sie es wohl in guter Meinung, aber ich 
fürchte, sie, wird es später zu bereuen haben. Ich achte jede politische Ueber- 
zeugung, ja sogar jedes politische Gefühl, aber eines darf man doch sagen, 
wenn die Männer, die berufen sind, für das Beste des Staates zu sorgen, 
wenn die- zur rechten Zeit, wo es gilt, einen entscheidenden Schritt zu thun, 
wenn die in diesem Momente die richtigen Gedanken nicht finden, oder sich 
nicht aneignen können, so ist das ein Verhängniß für den Staat. 
Abstimmung über die Absätze 3 und 4 (Mißtrauensvotum gegen 
den Fürsten Hohenlohe). Derselbe erklärt vorher, er würde seine 
bisherige Politik auch ferner beibehalten. „Sie sind im Begriff, über 
dieselbe abzustimmen; wie auch Ihre Entscheidung ausfalle, möge 
sie zum Wohle Bayerns gereichen.“ In namentlicher Abstimmung 
wird das Mißtrauensvotum mit 77 gegen 62 Stimmen beschlossen. 
12. Febr: (Bayern). II. Kammer: Schluß der ganzen Adreßdebatte. 
15. 
Der Finanzminister erklärt Namens seiner Collegen, die Gesammt- 
heit der Minister trage die Verantwortlichkeit für die Wahlkreis- 
eintheilung. Wenn man ihnen daraus und sonst den Vorwurf der 
Parteiregierung mache, so können sie denselben nicht auf sich sitzen 
lassen. Referent Jörg erläutert, daß er für. diese Minister kein 
Mißtrauensvotum beabsichtige. Die gesammte Adresse wird nach 
dem Ausschußvorschlag mit Ausnahme des Wortes „erfahrungs- 
gemäß“ in Absatz 3 mit 78 gegen 62 Stimmen angenommen. 
Die provisorische Erhebung der Steuern wird fast einstimmig 
bewilligt. Die Majorität beschließt die Annullirung der (liberalen) 
Münchener Wahlen und ebenso der (liberalen) Wahlen in Günzburg. 
„(Bayern). Fürst Hohenlohe bittet den König in Folge des 
Mißtrauensvotums der patriotischen Mehrheit beider Kammern um 
seine Entlassung. Die übrigen Minister sind Anfangs uneinig, ob 
sie gleichfalls ihre Entlassung begehren sollen, unterlassen es aber
	        
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