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Allgemeine Ehronik.
29. April. (Nom). Concil: Nach dem Resultat der Coneilssitzung vom 24. ds. Mts.
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liegt die Schwäche der Minorität unzweifelhaft vor Aller Augen: es ist klar,
nur die Minderheit dieser Minderheit die Unfehlbarkeitserklärung des
Papstes principiell bekämpft, die große Mehrzahl dagegen bloß aus Gründen
der Inopportunität und daß alle ohne Ausnahme dem Payste, trotz der Ueber-
zeugung, daß sein Vorgehen die Interessen der Kirche und ihre cigenen als
Bischöfe im höchsten Grade gefährde, ja nicht zu nahe treten wollen, um nur die
Einheit der Kirche nicht zu gefährden. Auf diese Schwäche vertrauend gibt
der Papst nunmehr seinem eigenen und dem Verlangen der Moajorität nach
und befiehlt und bestimmt die Unfehlbarkeitsfrage als den ersten und nächsten
Berathungsgegenstand des Concils.
„ (Deutschland). Zollparlament: Die Regierungen legen demselben wiederum
den Entwurf eines revidirten Tarifgesetzes vor. Die wiederholt abgelehnte Ein-
führung eines Petroleumzolls ist darin fallen gelassen und durch eine Er-
höhung des Kaffeezolls ersetzt.
„ (Nom). Concil: Die Minorität verlangt, daß vor der Unfehlbarkeitsfrage
wenigstens das Verhältniß der geistlichen zur weltlichen Gewalt näher definirt
und die Welt über eine Erneuerung der Weltherrschaftsansprüche der Päpste
des Mittelalters beruhigt werde. Dem Verlangen wird nicht entsprochen und
darauf wiederum nicht einmal eine Antwort ertheilt.
Mai. (Oesterreich-Ungarn: Oesterreich). Das Ministerium Potocki unter-
handelt mit den Czechen und Polen über einen Ausgleich.
„ (Deutschland). Das Zollparlament lehnt auch die Erhöhung des Kaffee-
zolls mit 187 gegen 63 Stimmen ab. Die Tarifreform scheint damit neuer-
dings gescheitert zu sein.
„ (Deutschland). Zollparlament: v. Patow stellt einen Vermittlungsantrag,
nach welchem die Erhöhung des Kaffeezolls den Regierungen zugestanden wer-
den soll, wenn dieselben eine Herabsetzung der Zölle auf Roheisen und Reis
zugestehen wollen. Die Regierungen gehen darauf ein und der Vermittlungs-
antrag wird mit 186 gegen 84 Stimmen angenommen. Schluß der Session.
„ (Oesterreich-Ungarn: Oesterreich). Das Ministerium Potocki ergänzt
sich durch einige föderalistische Elemente.
„ (Frankreich). Allgemeine Abstimmung über das Plebiscit in ganz Frank-
reich. Mehr als 7 Millionen antworten mit Ja, 14 Millionen mit Nein.
„ (Oesterreich-Ungarn: Oesterreich). Die Presse zieht eine Denkschrift
an's Tageslicht, in welchem die Czechenführer für ihre Bestrebungen die Pro-
tection des Kaisers Napoleon nachsuchten.
„ (Nordd. Bund). Der Reichsrath beendigt die Berathung eines Gesetzes-
entwurfs zum Schutz des Antorenrechts.
„ (Nom). Concil: Beginn der Unsehlbarkeitsdebatte. Um nicht der römischen
Censur zu verfallen, haben selbst Nauscher, Hefele 2c. ihre Schriften gegen die
Unfehlbarkeit statt in Nom in Neapel drucken lassen müssen; ein Schriftchen
des Bischofs Ketteler ist von der päpstl. Polizei wirklich mit Beschlag belegt
worden. Nun läßt die Minderheit des Concils Rede auf Rede gegen die Un-
fehlbarkeit folgen. Die große Mehrheit ist dem Papste indessen zum Voraus
gesichert. « «
„ (Frankreich). Das Ministerium wird nunmehr nach gelungenem Plebiscit
reconstruirk, bereits in ganz anderer Weise als am 2. Jan. Der Kaiser hat
die Zügel wieder vollständig in der Hand und ernennt die Minister nach Be-
lieben. Das Auswärtige erhält der Herzog v. Gramont, ein höchst mittel-
mäßiger Kopf und lediglich ein Werkzeug in der Hand des Kaisers.
„ (Nordd. Bund). Der Reichstag beendigt die Berathung der Gesetzes-
entwürfe über den Unterstützungswohnsitz unter Beseitigung der vom Bundes-
rath gegen Preußen in denselben hineingebrachten particularistischen Tendenzen.