204
Die süddeutschen Staaten.
von Dr. Edel (Mittelpartei), der ganz auf nationalem Standpunkt steht, ein
Ganzes ganz, ein Halbes niemals gethan haben will. Gegen den Schwung
dieses Redners fällt die nüchterne Trockenheit Greil's entsetzlich ab und erregt
Murren und Unruhe, indem er sich für Neutralität und gegen jede active Be-
theiligung ausspricht. Darnach erklärt Minister Graf Bray, daß die Re-
gierung ihren Entwurf fallen lasse zu Gunsten des von Dr. Schleich gemachten
Vorschlags, welchen sie sich aneigne. Es folgt die Abstimmung. — Nach der
zweiten bricht ein heftiges Hochrufen aus, der Präsident droht zum dritten
Mal, die Gallerie räumen zu lassen. Zuletzt wird die von Dr. Schleich vor-
geschlagene Fassung in einfacher Abstimmung genehmigt und zu Art. 2 des
Entwurfes übergegangen. Aber in diesem Augenblick hört man durch die ge-
öffneten Fenster von unten herauf tausendstimmige Rufe erschallen. Der
Präsident unterbricht die Sitzung, weil er die Fortsetzung der Berathung
unter einer auf die Versammlung geübten Pression nicht dulden dürfe; aber
er nimmt sie nach einigen Minuten wieder auf, da — wie es scheint — er
sich persönlich überzeugte, daß das Geschrei nicht innerhalb des Gebäudes,
sondern in den benachbarten Straßen stattfand. (Das Ständehaus ist im Erd-
geschoß mit Militär besetzt.) Als die Abgeordneten um 411 Uhr aus dem
Ständehause treten, ist die ganze Gasse von Tausenden von Menschen erfüllt,
die fort und fort in jubelnde Hoch ausbrechen.
20. Juli. (Bayern). Die I. Kammer ktritt ohne Debatte dem Beschlusse
L
21.
der II. Kammer für Bewilligung des Kriegscredites einstimmig bei.
Die Regierung telegraphirt sofort die nunmehr vollendete Ent-
scheidung nach Berlin. Antwort des Königs von Prcußen und Rück-
antwort des Königs von Bayern.
Telegraphische Antwort des Königs von Preußen: „Nach Em-
pfang des Telegrammes Ihres Ministeriums übernahm ich sofort das Com-
mando der bayerischen Armee und überwies die letztere der unter den Ober-
befehl des Kronprinzen gestellten dritten Armee. Wir sind durch unerhörten
Uebermuth aus dem tiessten Frieden in den Krieg geworfen. Ihre echt deutsche
Haltung electrisirte auch Ihr Volk. Ganz Deutschland steht zusammen, wie nie
zuvor. Gott segne unsere Waffen in den Wechselfällen des Krieges. Ihnen
persönlich aber muß ich meinen innigsten Dank aussprechen für die ireue Fest-
haltung an dem Vertrage, worauf Deutschlands Heil beruht. Wilhelm.“ —
Telegraphische Rückantwort König Ludwigs: „Ihr Telegramm hat
in meiner Brust den freudigsten Wiederhall erweckt. Mit Begeisterung werden
meine Truppen an der Seite Ihrer ruhmgekrönten Waffengenossen für deut-
sches Recht und deutsche Ehre den Kampf aufnehmen. Möge er zum Wohle
Deutschlands und zum Heile Bayerns enden!“
Die II. Kammer genehmigt die provisorische Forterhebung der
Steuern bis Ende des Jahres 1870 und die Fortdauer des Aus-
gabe-Etats bis eben dahin.
„ (Hessen). Beide Kammern bewilligen einstimmig die von der
Regierung geforderten außerordentlichen Militärcredite für den Krieg.
„ (Württemberg). Zusammentritt des Landtags: II. Kammer:
Die Regierung erklärt sich entschieden für Eintritt in den Krieg an
der Seite Preußens und verlangt dafür einen außerordentlichen Credit.
Selbst die Volkspartei verzichtet nach dem in Bayern gefallenen Ent-
scheide auf jeden Widerstand dagegen.
Vicepräsident Probst begrüßt die Kammer bei ihrem Zusammentritt in
einer schweren Zeit. „Möge,“ sagt er, „den riesenhaften Aufgaben, welche