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Die süddeutschen Staaten.
vielleicht schon die Kanonen gesprochen. Becher verwahrt seinen Antrag gegen
die Deutung, als ob er den Parteikampf hereinwerfen wollte! Der Erfolg
werde dafür zeugen! Die Wahl einer besondern Commission stehe der Dring-
lichkeit nicht im Wege. Diese könne morgen schon Bericht erstatten. Mayer
(Haupt der „Beobachter“-Partei) ergreift das Wort gegen die Weitläufigkeit
einer Commisionswahl, die Parteien seien auch in der Finanzcommission“ re-
präsentirt. Er habe bis gestern geglaubt, es könnte die Volkspartei die Con-
sequenz ihrer bisherigen Haltung ziehen. Durch eine württembergisch- baye-
rische Neutralität würde Oesterreich die Gelegenheit gegeben, sich an einem
nationalen Krieg zu betheiligen. Er gehe von der Ansicht aus, daß die Un-
versehrtheit Deutschlands an der Donau wie am Rhein sestzuhalten, und em-
pfinde schmerzlich, die Lostrennung der österreichischen Macht. Es fehle uns
in Oesterreich der linke Arm zur Vertheidigung. Da aber die bayerische
Kammer ein Nein ausgesprochen, so sei jetzt nichts mehr übrig,
als unter den preußischen Oberbefehl zu treten und sich an dem
Kriege zu betheiligen. Große politische Discussionen seien nicht mehr
möglich, und nichts mehr zu wünschen, als der Sieg der deutschen Waffen,
die in diesem Fall mit Preußen ziehen. Auch die Einsichtnahme von den
Aufschlüssen der Regierung sei mehr noch Formsache, und können dieselben
dem Lande gegeben werden. Er bittet daher Becher, seinen aus einem ge-
meinsamen Beschluß ihrer Partei hervorgegangenen Antrag zurückzuziehen.
Becher entspricht dieser Bitte. Wiest mahnt noch die Commission, keine Mo-
tivirung zu geben, da eine solche morgen die heutige Einstimmigkeit zerstören
könnte. Der Antrag Hölder's wird einstimmig angenommen. Während
der Sitzung erschallt mehrfach von der Tribüne der Beifall begeisterter Zu-
hörer, und von draußen herein dringen die Rufe einer lebhaft erregten Volks-
menge. Die heraustretenden Abgeordneten werden mit lauten Hochrufen em-
pfangen.
21. Juli. (Baden). Die franz. Regierung hat offenbar Lust, Baden
22.
bei einem allfälligen Einrücken der franz. Armee in dasselbe scho-
nungslos und auf's härteste zu behandeln.
Der franz. Minister des Auswärtigen, Herzog v. Gramont, verlangt durch
seinen Souschef v. Ring vom badischen Gesandten in Paris rasche und kate-
gorische Auskunft darüber, ob wirklich, wie dem kaiserl. Kriegsministerium
von der Grenze berichtet werde, explosive Flintenkugeln unter die badischen
Truppen vertheilt worden seien, da Baden der Petersburger Convention bez.
Sprengkugeln nicht beigetreten sei: wäre die Thatsache richtig, so würde sich die
kaiserl. Regierung zu Repressalien genöthigt sehen, und zwar würde sie sofort
auch an ihre Truppen Sprengkugeln vertheilen, und das Großh. Baden als
außerhalb des Völkerrechts stehend betrachten; Baden würde verwüstet werden
wie die Pfalz unter Ludwig XIV., und einer vollständigen Vernichtung aus-
gesetzt sein, selbst Frauen würden nicht geschont werden (mme les femmes ne
Seraient pas Cpargnées). Der Gesandte erklärt, Baden sei der Petersburger
Convention allerdings beigetreten und läßt sich durch das Petersburger Cabinet
bezeugen, daß sein Beitritt am 15. Januar 1869 allen Regierungen, also auch
der kaiserl. französischen, in aller Form angezeigt worden sei.
„ (Württemberg). Die II. Kammer bewilligt den von der
Regierung geforderten außerordentlichen Militärcredit mit 85 gegen
1 Stimme. Motivirte Abstimmungen.
Die Commission beantragt einstimmig: Hohe Kammer wolle dem Gesetz-
entwurf mit einer Einschaltung, beziehungsweise Aenderung zustimmen. Abg.
Mohl hat seiner Abstimmung in der Commission folgende Erklärung beige-
fügt: „Der Unterzeichnete würde für bewaffnete Neutralität gestimmt haben,
wenn diese in Bayern angenommen worden wäre. In der jetzt eingetretenen