Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

Die süddeutschen Staalen. 221 
Centralgewalt von den Patrioten niemals zugestanden würde, und daß die- 
jenigen von ihnen durch den richtigsten Instinct geleitet würden, welche einem 
derartigen Bunde mit Preußen den Einheitsstaat, vorzögen, weil in diesem die 
preußischen Particularisten mit ihnen das gleiche Interesse hätten, sich gegen 
den Liberalismus zu wenden. Die logische Folge des gegenwärtigen Kriegs 
könne und dürfe für Bayern nichts anderes sein als die vollständige Restitu- 
tion seiner politischen Freiheit und die Annullirung des Schutz= und Trutz- 
bündnisses von 1866. Den Zumuthungen der liberalen Partei und den An- 
sprüchen der preußischen Particularisten könne Bayern nur dadurch entgehen, 
daß die Patrioten an competenter Stelle nicht mehr als Oppositionspartei 
betrachtet würden. Ohne sie könne Bayern ohne Preisgebung seiner Rechte 
gar nicht regiert werden. Sollten aber die Patrioten von oben herab nicht 
unterstützt werden, so würden sie darin eine Dispensirung von der höchsten 
ihrer beschwornen Pflichten erblicken, und es würde dann eine große Verände- 
rung der Parteiverhältnisse entstehen. Denn der bayerische Patriotismus sei 
nur die Folge der gewohnheitsmäßigen Pietät des Volkes und seiner Eides- 
treue; er sei an und für sich kein Grundsatz ihres religiösen Glaubens, ihrer 
politischen Moral, ihrer socialen Philosophie. Würden sie einmal ihrer ander- 
weitigen Pflichten entledigt, dann wollten sie auch die Vortheile der neuen 
Stellung genießen, und nicht mehr innerhalb einer angeblich berechtigten Selb- 
ständigkeit des bayerischen Staates sich vom Liberalismus tyrannisiren lassen. 
Zudem hätten die Katholiken noch am ehesten von Preußen eine energische 
Mißbilligung der jüngsten Ereignisse in Rom zu erwarten, während es 
schwer sei, zugleich den Katholicismus und den bayerischen Patriotismus zu 
vertreten. 
2. Dec. (Bayern). Der Justizminister v. Lutz geht in Angelegen- 
11. 
13. 
heiten der deutschen Verfassungsfrage nach Berlin ab. 
„ (Bayern). König Ludwig ergreift die Initiative zum definiti- 
ven Ausbau der deutschen Verfassung, indem er die übrigen deutschen 
Fürsten durch eigenhändige Handschreiben einladet, dem König von 
Preußen statt dem bisherigen Titel eines Bundespräfidenten den- 
jenigen des „deutschen Kaisers“ anzutragen (siehe den Wortlaut 
unter nordd. Bund). 
„ (Hessen). Die Regierung legt dem Landtage die Verträge mit 
dem norddeutschen Bunde vor. 
„ (Württemberg). Das Resultat der Neuwahlen zur zweiten 
Kammer hat eine totale Niederlage der demokratischen oder Volks- 
partei ergeben. Das Haupt derselben, Karl Mayer (Beobachter) ist 
nicht wieder gewählt worden. Das Verhältniß der Parteien in der 
neuen Kammer ist derart, daß die vereinigten Parteien der Regierung 
und der Nationalgesinnten sich gegen die vereinigten Parteien der 
Demokraten und Großdeutschen verhalten wie 5 zu # oder, wenn 
die sog. Privilegirten hinzugerechnet werden, sogar wie zu 1. 
Im Ganzen sind 149,406 Stimmen oder 685 für und 279 gegen 
die Genehmigung der Verträge abgegeben worden, während 4, 
zweifelhaft sind. 
„ (Bayern). II. Kammer: Die patriotische Majorität nimmt
	        
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