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Pie süddeulschen Staaten. 233
vernehmen mit den Bischöfen, die Unfehlbarkeit in Glaubens= und Sittenleh-
ren zu und stellt diesen Satz als Dogma auf#, obgleich 88 Cardinäle und Bi-
schöfe dagegen und 102 nicht dafür gestimmt haben; obgleich diese Lehre seit
ihrem Entstehen im 13. Jahrhundert in der Kirche stets auf den entschiedensten
Widerspruch gestoßen ist und deshalb früher zu concilarischer Berathung nie
gelangen konnte, obgleich im Jahre 680 Papst Honorius von dem allgemein
anerkannten Concil zu Konstantinopel als Ketzer verflucht wurde und bis zum
13. Jahrhundert die Päpste bei Besteigung des heil. Stuhles jedesmal den
Fluch gegen ihren ketzerischen Vorgänger erneuert haben. Diesen Thatsachen
gegenüber können wir die vielen Beweise für die Unfreiheit der vaticanischen
Versammlung unberührt lassen, und erklären hiemit: daß wir die wider-
rechtlich zu Rom am 18. Juli d. J. aufgestellten Decrete nicht anneh-
men, daß wir unserem alten katholischen Glauben, in welchem
unsere Väter lebten und starben, treu bleiben und deshalb jedem etwaigen
Versuche, uns eine neue Lehre aufzuzwingen oder uns aus der
Kirche hinauszudrängen, activen und passiven Widerstand ent-
gegensetzen werden.“
Dec. (Württemberg). Die II. Kammer schlägt dem König für
das Präsidium drei entschieden national gesinnte Mitglieder vor,
setzt für die Prüfung der Verträge eine besondere Commission nieder
und entscheidet sich bezüglich derselben mit 67 gegen 17 Stimmen
für (beschleunigte) schriftliche statt (langsamerer) gedruckter Bericht-
erstattung.
„ (Hessen). Die II. Kammer nimmt die Verträge mit dem
norddeutschen Bunde mit 40 gegen 4 (2 demokratische, 1 clericale
und 1 adelige) Stimmen an.
„ (Bayern). Nachdem das ganze Jahr verflossen ist, ohne daß,
erst in Folge der von der patriotischen Mehrheit der II. Kammer
cingenommenen Haltung und dann durch die eingetretenen Kriegs-
ereignisse, das von der Verfassung geforderte Finanzgesetz für die
Jahre 1870 u. 1871 zu Stande gekommen wäre, ist die II. Kam-
mer genöthigt, neuerdings auch für 1871 eine provisorische Steuer-
erhebung zu genehmigen, was einstimmig geschieht.
„ (Baden). Die vier Abgeordneten der katholischen Partei in
der II. Kammer rechtfertigen ihre Zustimmung zu den Verträgen
durch folgende Erklärung:
Sie haben dabei die vielfachen und großen Mängel veeses Verfassungs-
werkes, sowie insbesondere der mit demselben in Verbindung stehenden Militär-
convention keineswegs verkannt. Wenn sie gleichwohl zu dem erwähnten Votum
sich entschlossen haben, so haben sie es gethan vor allem mit Rücksicht auf die
Lage des in einem schweren und langwierigen Kriege befindlichen Vaterlandes,
welche ein möglichstes Zusammengehen aller Parteien als politische Pflicht er-
scheinen läßt. Sie haben es ferner gethan, weil nach den Ereignissen dieses
Jahres es sich als unmöglich herausgestellt hat, daß das badische Land ferner-
hin ein politisches Einzeldasein führe, und weil eine andere oder bessere Form
der Einigung mit den übrigen deutschen Staaten sich unter den gegenwärtigen
Verhältnissen nicht mehr erwarten ließ. Sie haben es endlich gethan, weil es
von jetzt an die Aufgabe der katholischen Volkspartei Badens sein muß, ihre
dem Volke zur Genüge bekannten und durch die Abstimmung vom 16. d. Mi
in keiner Weise erschütterten Grundsätze in treuem Anschluß an die große ka-