Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

Anhang von Actenstücken zur deutschen Verfassungsfrage. 237 
Auch die Bestimmungen in den Art. 49—52 der Bundesverfassung sollen für 
Baden erst mit dem 1. Januar 1872 in Wirksamkeit treten, damit die für die Ueber- 
leitung der Landesverwaltung der Posten und Telegraphen in die Bundesverwaltung 
erforderliche Zeit gewonnen werde. 
Im Uebrigen wurden noch nachstehende, im Laufe der Verhandlung abge- 
gebene Erklärungen in gegenwärtiges Protokoll niedergelegt: Man war darüber ein- 
verstanden: 
1. zu Art. 18 der Verfassung, daß zu den einem Beamten zustehenden Rechten 
im Sinne des zweiten Absatzes dieses Artikels diejenigen Rechte nicht gehören, welche 
seinen Hinterbliebenen in Beziehung auf Pensionen oder Unterstützungen etwa zustehen; 
2. zu den Art. 35 und 38 der Verfassung, daß die nach Maßgabe der Zoll- 
vereinsverträge auch ferner zu erhebenden Uebergangs-Abgaben von Branntwein und Bier 
ebenso anzusehen sind, wie die auf die Bereitung dieser Getränke gelegten Abgaben; 
3. zu Art. 38 der Verfassung, daß, so lange die jetzige Besteuerung des Bieres 
in Hessen fortbesteht, nur der dem Betrage der norddeutschen Braumalzsteuer ent- 
sprechende Theil der hessischen Biersteuer in die Bundeskasse fließen wird; 
4. zum VIII. Abschnitte der Verfassung, daß die Verträge, durch welche das 
Verhältniß des Post= und Telegraphenwesens in Hessen zum norddeutschen Bunde jetzt 
geregelt ist, durch die Bundesverfassung nicht aufgehoben sind. Insbesondere behält 
es hinsichtlich der Zahlung der Canons und der Chausseegeld-Entschädigung, sowie der 
Entschädigung für Wege= und Brückengelder und sonstige Communications-Abgaben, 
ferner hinsichtlich der Vergütung für Benützung der Staats= und Privatbahnen und 
hinsichtlich der Behandlung des Portofreiheitswesens in Südhessen bis zum Ende des 
Jahres 1875 sein Bewenden bei dem jetzt bestehenden Zustande. Für die Zeit vom 
1. Jan. 1876 ab fällt die Zahlung des Canons und der Chausseegeld-Entschädigung 
weg. Wie es in Bezug auf die Vergütung für die postalische Benützung der Eisen- 
bahnen, sowie in Bezug auf die südhessischen Portofreiheiten für die Zeit nach dem 
1. Januar 1876 zu halten sei, bleibt späterer Verständigung vorbehalten. Die Ent- 
schädigung für Wege= und Brückengelder und sonstige Communications-Abgaben wird 
auch nach dem 1. Januar 1876 an die großh. hessische Regierung gezahlt, wogegen 
diese die Entschädigung der Berechtigten auch für die Zukunft wie bisher übernimmt. 
5. Zu Art. 52 der Verfassung wurde von den badischen Bevollmächtigten be- 
merkt, daß die finanziellen Ergebnisse der Post= und Telegraphen-Verwaltung des 
Bundes, wie sie sich bisher gestaltet hätten und in dem Bundeshaushalts-Etat für 
1871 veranschlagt seien, ungeachtet der in Art. 52 getroffenen Bestimmung, keine 
Gewähr dafür leisteten, daß der auf Baden fallende Antheil an den Einnahmen dieser 
Verwaltungen auch nur annähernd diejenige Einnahme ergeben werde, welche es 
gegenwärtig aus seiner eigenen Verwaltung zum Betrage von durchschnittlich 130,000 
Thlrn. beziehe. Sie hielten es deßhalb für billig, daß Baden durch eine besondere 
Verabredung vor einem, seinen Haushalt empfindlich berührenden Einnahme-Ausfall 
gesichert werde. 
Wenngleich von anderen Seiten die Besorgniß der badischen Bevollmächtigten 
als begründet nicht anerkannt werden konnte, so einigte man sich doch dahin, daß, 
wenn im Laufe der Uebergangsperiode der nach dem Procentverhältnisse sich ergebende 
Antheil Badens an den im Bunde aufkommenden Postüberschüssen in einem Jahre die 
Summe von 100,000 Thlrn. nicht erreichen sollte, der an dieser Summe fehlende 
Betrag Baden auf seine Matricular-Beiträge zugute gerechnet werden soll. Eine 
solche Anrechnung wird jedoch nicht stattfinden in einem Jahre, in welches kriegerische 
Ereignisse fallen, an denen der Bund betheiligt ist. 
6. Zu Art. 56 der Verfassung bemerken die Bevollmächtigten des norddeut- 
schen Bundes auf Anfrage der großh. badischen Bevollmächtigten, daß das Bundes- 
präsidium schon bisher, nach Vernehmung des zuständigen Ausschusses des Bundes- 
rathes, Bundesconsulate errichtet habe, wenn eine solche Einrichtung an einem be- 
stimmten Platze durch das Interesse auch nur Eines Bundesstaates geboten worden sei. 
Sie verbanden damit die Zusage, daß in diesem Sinne auch in Zukunft werde ver- 
fahren werden.
	        
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