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Oesterreich-Augarn.
sten unberechtigter oder doch zweifelhafter Ansprüche abermals umzuwandeln.
Das Herrenhaus hat zu wiederholten Malen gegen die angedeutete Richtung
seine warnende Stimme erhoben; es kann auch jetzt nur anf dem Boden der
correcten, strengen und klaren Eesetzlichkeit, die immer dringender, aber auch,
ie mehr diese Grundlage preisgegeben wird, immer schwieriger werdende Ab-
hilfe suchen. Nur ein Volk, welches gewohnt ist, in den Organen des Staats
die treuesten Hüter und aufierksamsten Wächter von Recht und Gesetz zu
sehen, wird selber Recht und Gesetz unverbrüchlich achten und hochhalten. —
Angesichts des tiefen Ernstes der Zeit und der mit jedem Tage steigenden
Verwicklung, erfüllt das Herrenhaus eine durch seine Stellung gebotene Pflicht,
indem es seinen jederzeit festgehaltenen Grundsätzen auch gegenwärtig in Ehr-
erbietung und mit Freimuth Ausdruck gibt.
Der Ministerpräs. Potocki gesteht, die Enttäuschung bei den Unter-
handlungen mit den Ceechen sei der härteste Schlag gewesen, den er
je erlitten; er habe nur aus österreichischem Patriotismus so gehan-
delt, wie er gehandelt. Den Vorwurf der Verfassungsverletzung
lehnt er ab und bezeichnet einen Ausgleich als nothwendig, weshalb
er auch niemals davon abgehen werde, so lange er Minister bleibe.
Die Adresse wird schließlich gegen eine nur kleine Minderheit an-
genommen, die Amendements der letzteren, die auch nur schwach ver-
theidigt werden, werden abgelehnt.
18. Nov. (Oesterreich). Das Ministerium beschließt in Folge der
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Adresse des Herrenhauses, dem Kaiser seine Entlassung anzubieten.
Die Eröffnung der Delegationen in Pesth muß vom 21. auf
den 24. d. M. verschoben werden, um dem Abg.Haus Zeit zur
Adreßdebatte zu lassen, vor deren Erledigung dasselbe die Delegations-
wahlen nicht vornehmen will.
„ (Oesterreich). Reichsrath, Abg. Haus: Adreßdebatte. Der von
der Commission vorgelegte Entwurf spricht sich gleich der Adresse
des Herrenhauses für Aufrechthaltung der Verfassung und gegen die
Politik des Ministeriums Potocki aus. Derselbe wird mit 90 gegen
62 Stimmen angenommen.
Die Rede, mit welcher der Ministerpräsident Graf Potocki in der Adreß-
debatte sich vertheidigt, deutet darauf hin, daß das Ministerium nicht nur
nicht zurückzutreten gedenkt, sondern dem Reichsrathe auch noch einen „Gesetz-
entwurf über die galizischen Angelegenheiten“ vorzulegen gedenkt, und zwar
nicht etwa jetzt gleich, sondern erst später, da der Ministerpräsident etwas ge-
heimnißvoll andeutet, an der Vorlage aus Ursachen, die nicht von ihm ab-
hängen, bisher verhindert zu sein.
„ (Oesterreich). Reichsrath: Beide Häuser nehmen die Delegirten-
wahlen vor. Das Abgeordnetenhaus gesteht der Regierung die Forter-
hebung der Steuern nur für die Menate Januar und Februar, nicht
aber, wie sie gefordert hatte, auch für den März zu. Die Regierung
legt demselben das Abkommen mit Ungarn bez. seiner Beitrags-
pflicht zu den gemeinsamen Ausgaben nach Einverleibung der Militär-
grenze vor.
(Oesterreich). Der Reichsrath wird auf unbestimmte Zeit vertagt,