Oesterreich-Ingarn. 303
angeblich wegen der bevorstehenden Session der Delegationen, in
Wahrheit aber, um dem Ministerium Potocki eine weitere Frist zu
sichern, resp. um Zeit zu neuen Combinationen zu gewinnen.
23. Nov. (Oesterreich). Das Ministerium Potocki richtet sein formel-
24.
les Entlassungsgesuch schriftlich an den Kaiser in Ofen.
„ Eröffnung der Delegationen in Pesth. Beust legt denselben
sein Rothbuch vor, das gemeinsame Ministerium das ordentliche
Budget für 1871 und zugleich ein außerordentliches Erforderniß
für das Militärwesen im Betrage von ca. 60 Mill. (19 Mill. für
Rüstungen während des deutsch-französischen Krieges und 41 Mill.
für weitere Bedürfnisse der Zukunft.)
Das gemeinsame Budget umfaßt die Ministerien des Aeußern, der Finan-
zen, insoweit dieselben gemeinsam sind, und des Kriegs. Das Erforderniß
für das auswärtige Amt ist mit 4,343,787 fl., jenes für das gemeinsame
Finanzministerium mit 1,783,810 fl. eingestellt. Für die Rechnungscontrole, d. i.
den obersten gemeinsamen Rechnungshof, werden außerdem 104,095 fl. verlangt.
In dem vom Ministerium des Aeußern unterbreiteten Erforderniß ist der
Gesandtschaftsposten in Dresden gestrichen, und erklärt der Reichskanzler auf
jene 150,000 fl. probeweise für das Jahr 1871 verzichten zu wollen, die bis
jetzt als Theil des Dispositionsfonds zur speciellen Beeinflussung der Presse
bewilligt und verwendet worden sind. «
Das Erforderniß des Kriegsministeriums zerfällt wie gewöhnlich in zwei
Abtheilungen, das ordentliche und das außerordentliche Erforderniß. Für dies-
mal wird jedoch eine dritte Abtheilung, ein „außerordentliches Extraordinarium“
gemacht. Das ordentliche Brutto -Erforderniß für die Landarmee beträgt
78,644,439 fl., das außerordentliche 6,800,724 fl.; dieselben Posten für die
Marine 8,351,000 und 3,882,700; daher zusammen das Brutto-Erforderniß
des Kriegsministeriums 97,678,863 fl. (gegen 88,7 Mill. von 1870). Zieht
man hievon die eigenen Einnahmen des Kriegsministeriums ab mit 3,112,000,
so bleibt das Netto-Erforderniß mit 94,566,863 fl. gegen 85,497,622 für
1870, also höher um 9,069,241 fl. Das ordentliche Erforderniß wird durch
die beantragte Erhöhung des Mannschafts= und Pferdestandes bei der ge-
sammten Reiterei (31 Mann und Pferde auf die Escadron) — eine Erhöhung,
welche der Kriegsminister durch die raschen Mobilisirungen, wo es kaum mög-
lich wird, in so kurzer Zeit eine so große Zahl von Pferden einzukaufen,
motivirt — das außerordentliche Erforderniß durch Anschaffungen von Küsten-
geschützen, Gewehren und Munition, dann Festungsbauten 2c. über die entspre-
chende Ziffer des vorjährigen Kriegsbudgets gehoben.
Das gesammte Bruttoerforderniß der drei Ministerien beträgt demnach
103,910,535 fl., das Netto-Erforderniß nach Abzug der eigenen Einnahmen
mit 3,530,987 fl., zusammen 100,379,560 fl. Im Jahr 1869 betrug das-
selbe 93 Mill., für 1870 waren 91,4 Mill. bewilligt worden. Von obigen
Summen deckt der reine Zollgesällüberschuß, der sich als eine gemeinsame
Einnahme darstellt, 12,199,700 fl.; für den Rest von 88,179,868 fl. haben
die beiden Reichstheile zu sorgen, und zwar entfallen hievon auf Cisleithanien
70 Proc., d. i. 61,7, auf Ungarn 30 Proz., d. i. 26,4 Mill. In dem
dem ungarischen Unterhaus vorgelegten Budget, das mit einem Defizit von
12 Millionen schloß, war der Posten für die gemeinsamen Ausgaben annä-
hernd blos mit 22 Millionen eingestellt, so daß sich das ungarische ordent-
liche Defizit nunmehr um 4 Mill., auf 16,4 Mill., steigert. In Cisleitha-
nien, wo bis jetzt kein Budget vorgelegt wurde, wird mit Zugrundelegung
ver Hut für die gemeinsamen Ausgaben das ordentliche Defizit auf 40 Mill.
erechnet.