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Cesterreich-Angarn.
des Staates ruht in der Einheit seines politischen Willens, und kein Staat
kann bestehen, seine Individualität behaupten, seine näturgemäße Fortentwick-
lung finden, wenn Parteien in seinem Innern gestattet wird, sich in einer
Richtung zu bewegen, die ich, um nicht ein härteres Wort zu gebrauchen,
welches auf Tausenden von Lippen schwebt, nur als Landespreisgebung be-
zeichnen will. Auf keinem Flecke der civilisirten Welt findet sich eine Stätte
der Duldung für ein derartiges Vermessen der Parteien; in den allerfreiesten
Staaten, selbst in Republiken, würde dem gegenüber der Staatsgedanke sich
mit siegreicher Gewalt erheben, und auch in Oesterreich muß solchem Begin-
nen energisch begegnet werden.. Ich stehe nicht an, mit dieser meiner Auf-
fassung vor die Oeffentlichkeit zu treten, weil ich die feste Ueberzeugung habe,
daß sie zugleich die Auffassung der unendlichen Mehrheit der Bevölkerung
Oesterreich-Ungarns, die Auffassung aller echten Vaterlandsfreunde ist..“
44. Dez. Depesche des deutschen Bundeskanzlers Grafen Bismarck an
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den norddeutschen Botschafter in Wien über die in Deutschland bereits
eingetretenen neuen Verhältnisse und über die künftigen Beziehungen
zwischen Deutschland und Oesterreich (s. nordd. Bund).
„ (Oesterreich: Böhmen). Die czechische Majorität des Stadt-
raths von Prag erlaubt sich die ärgsten Excesse gegen die deutsche
Minorität. Diese protestirt und nimmt an den Sitzungen vorerst
keinen Theil mehr.
„ Diie beiden Delegationen vertagen sich bis zum 9. resp. 10. Ja-
nuar 1871, ohne bisher irgend welche Beschlüsse gefaßt zu haben.
„ (Oesterreich: Tyrol). Der Kaiser geht über Weihnachten
nach Meran, wo sich augenblicklich die Kaiserin mit dem keaiser-
lichen Kindern aufhält. Derselbe überbringt dem Lande die vom
Ministerium empfohlene Sanction der von der clerikalen Mehrheit
des Tyroler Landtags im Jahre 1868 beschlossenen und damals ven
der Regierung energisch bekämpften neuen Landesvertheidigungs-
ordnung, welche die Bestimmung enthält, daß die iyrolische Land-
wehr nur mit Zustimmung des Landtags außerhalb der Landesgrenzen
verwendet werden darf.
Die Organe der verfassungstreuen Partei erklären den Schritt für ent-
schieden verfassungswidrig und weisen auch arge formelle Mängel desselben
nac loat. derselbe an sich nichtig zu sein scheine und kaum aufrecht erhalten
werden könne.
„ Antwort des Reichskanzlers Grafen Beust auf die Depesche des
deutschen Bundeskanzlers vom 144. d. M. über die künftigen Be-
ziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich:
„Der k. preuß. Hr. Gesandte hat die wiederholt in Aussicht gestellte Mit-
theilung seiner Regierung in Betreff der künftigen Gestaltung Deutschlands
an mich gelangen lassen. In der Anlage erhalten Ew. Exc. zu Ihrer Kennt-
nißnahme Abschrift der bezüglichen Depesche. Ich war in der Lage, Ew. Exc.
gleich nach den ersten Andeutungen des Generals v. Schweinitz über die bevor-
stehende Eröffnung der k. preuß. Regierung, in meinem Erlasse vom 5. d. M.
die allgemeinen Gesichtspunkte zu entwickeln, welche wir als die maßgebenden
und bestimmenden für unsere Auffassung betrachten würden. Form und In-
halt des mir nunmehr vorliegenden Schriftstückes gestatten mir in erfreulicher