Oesterreich-ingarn. 307
Weise, meine damaligen Bemerkungen aufrechtzuerhalten. Allerdings gilt dies
andererseits auch von einem Punkte, in welchem sich äußerlich wenigstens un-
sere Anschauung mit der der k. preuß. Regierung nicht vollständig begegnet.
Ich habe in meinem Erlasse vom 5. d. M. den Hinweis darauf nicht umge-
hen können, wie wünschenswerth es uns erschiene, der Erörterung über
den Prager Frieden aus Anlaß des gegenwärtigen Meinungsaustausches
mit Preußen und mit Rücksicht auf das Ziel, dessen Erreichung beide Theile
gleichmäßig dabei vor Augen haben, möglichst überhoben zu sein. Die kgl.
preußische Regierung hat geglaubt, in ihrer Mittheilung vom 14. d. M.
diese Frage berühren zu sollen, und wiewohl wir die freundschaftliche Gesin-
nung bereilwillig anerkennen, in welcher die Erwähnung des Prager Friedens
geschehen ist, so halten wir es doch für besser, auf die dadurch gebotenen An-
knüpfungspunkte zu einer weitern Auseinandersetzung hier nicht einzugehen
und auf unserer Ansicht zu beharren, daß die Vermeidung einer Discussion in
dieser Richtung in beiderseitigem Interesse liege. In der That sind es nicht
sormelle Interpretationen, nicht materielle Rechtsansprüche, die wir zum Ge-
genstande der Discussion gemacht zu sehen, im gegenwärtigen Augenklicke für
wünschenswerth erachten können. Unsere Auffassung neigt vielmehr dahin, in
der Einigung Deutschlands unter Preußens Führung einen Act von histori-
scher Bedeutung, eine Thatsache ersten Ranges in der modernen Entwicklung
Europal's zu erblicken und danach das Verhältniß zu beurtheilen, welches zwi-
schen der österreichisch-ungarischen Monarchie und der neuen staatlichen Schö-
pfung an unseren Grenzen angebahnt und befestigt werden soll. Von diesem
Standpunkte aus kann es mir, indem ich den weiteren von der k. preuß. Re-
gierung angekündigten Mittheilungen entgegensehe, nur zu hoher Befriedigung
gereichen, jetzt schon bestätigen zu dürfen, daß in allen maßgebenden
Kreisen Oesterreich-Ungarns der aufrichtigste Wunsch vor-
herrscht, mit dem mächtigen Staatswesen, dessen Gründung
sich nunmehr vollziehen wird, die besten und freundschaftlich-
sten Beziehungen zu pflegen. Dieser Wunsch wurzelt in der festen
Ueberzeugung, daß eine unbefangene Erwägung und Würdigung der gegen-
seitigen Bedürfnisse nur die ersprießlichste und wohlthätigste Wirkung auf beide
Reiche äußern, sie in Frieden und in reger Mitarbeiterschaft an den Aufgaben
der Gegenwart und Zukunft einigen wird. In dieser Beziehung ist die kgl.
preußische Regierung nur dem Ausdrucke unserer eigenen Empfindungen zu-
vorgekommen, wenn sie unserer gemeinsamen Vergangenheit gedenkt und der
Hoffnung Worte leiht, daß Deutschland und Oesterreich-Ungarn mit Gefühlen
des gegenseitigen Wohlwollens auf einander blicken und sich zur Förderung
der Wohlfahrt und des Gedeihens beider Länder die Hand reichen werden.
Nicht ohne berechtigtes Vertrauen dürfen wir hienach gerade in diesem Augen-
blicke der Verwirklichung so verheißender Aussichten ein ergiebiges Feld eröff-
net sehen, ein Feld, auf welchem Gemeinsamkeit des Wollens und Handelns
für beide Reiche ein Unterpfand bleibender Eintracht, für Europa eine Bürg-
schaft dauerden Friedens werden kann. Mit hoher Genugthuung aber muß
uns die Thatsache erfüllen, daß jene Gesinnungen der Bevölkerung Oesterreich-
Ungarns auch in der Person Sr. Maj. des Kaisers und Königs
unseres allergnädigsten Herrn, einen erhabenen Schützer und Förderer finden.
Allerhöchstderselbe wird freien und hohen Sinnes die erhebenden Erinnerungen,
die seine Dynastie in der glanzvollen Geschichte von Jahrhunderten mit den
Geschicken des deutschen Volkes verbanden, nicht anders auffassen, als mit den
wärmsten Sympathien für die fernere Entwicklung dieses Volkes und mit dem
rückhaltlosen Wunsche, daß es in den neuen Formen seines staatlichen Daseins
die wahren Bürgschaften einer glücklichen, für seine eigene, wie für die Wohl-
fahrt des ihm in geschichtlicher Tradition, in Sprache, Sitte und Recht
r vielfach verwandten Kaiserstaates gleich segensreichen Zukunft finden
möge.“
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