England. 333
1. Sept. Der norddeutsche Bundesgesandte Graf Bernstorff stellt in
15.
einem einläßlichen Memorandum die lauten Klagen Deutschlands
über die fortgesetzte Ausfuhr von Waffen, Munition, Kohlen und
anderem Kriegsmaterial aus England nach Frankreich trotz der pro-
clamirten Neutralität zusammen.
„ Lord Granville sucht in seiner Antwort auf das deutsche Me-
morandum vom 1. September die Beschwerden Deutschlands über
die Handhabung der englischen Neutralität möglichst zu entkräften,
ohne indeß auf die öffentliche Meinung in Deutschland den gering-
sten Eindruck zu machen.
„ Die Stimmung in Irland ist seit den Ereignissen auf dem
Kriegsschauplatze, namentlich seit Sedan, eine ganz ruhige geworden.
Dagegen beginnt in England die Stimmung, die Anfangs entschieden
eine Deutschland und seiner Sache geneigte war, zu Gunsten Frank-
reichs umzuschlagen. Die Waffen= und Munitionssendungen nach
Frankreich nehmen gleichzeitig ganz gewaltige Dimensionen an.
13. Oct. Prinzeß Luise verlobt sich mit dem Sohne des Herzogs von
31.
Argyll, einem einfachen Nobleman und Unterthan der Königin.
„ Die Handelskammer von Manchester constatirt den Aufschwung
des englischen Handels trotz des Krieges. In den Waffenfabriken
herrscht die angestrengteste Thätigkeit, um Frankreich für seine neu
aufzustellenden Armeen mit Wassen und allem nur möglichen
Kriegsmaterial zu versehen.
10. Nov. Lord Granville weist in einer Depesche nach St. Petersburg
die Erklärung der russischen Depesche vom 31. October (s. Ruß-
land) in dieser Form nachdrücklich zurück, ohne indeß in der Sache
selbst den Wünschen Rußlands absolut entgegentreten zu wollen:
„ . . Die Frage ist lediglich: in wessen Hand liegt die Macht, einen oder
mehrere der Contrahenten von allen oder von einer dieser Abmachungen zu
entbinden! Es wurde bisher stets angenommen, daß dieses Recht einzig und
allein den Regierungen zustehe, welche Contrahenten des Vertrages sind. Die
Depeschen des Fürsten Gortschakoff gehen von der Annahme aus, daß irgend
eine der bei dem Vertrage betheiligten Mächte erklären könne, es seien Um-
stände eingetreten, welche nach ihrer Meinung mit den Bestimmungen der
Verträge unvereinbar sind; und daß sie, obgleich diese Ansicht von den Mit-
unterzeichnern weder getheilt noch gebilligt wird, doch berechtigt sei, nicht etwa
die Regierungen zur Inbetrachtnahme der Sache aufzufordern, sondern einfach
ihre Lossagung von den von ihr mißbilligten Bestimmungen anzuzeigen. Es
ist jedoch ganz augenscheinlich, daß die Wirkung einer solchen Doktrin und
eines jeden mit oder ohne Eingeständniß auf dieselbe gestützten Verfahrens
keine andere sein kann, als daß die ganze Autorität und Wirksamkeit von
Verträgen in die discretionäre Gewalt eines jeden Unterzeichners gelegt sei;
das Ergebniß würde die Vernichtung aller Verträge in ihrem Wesen sein.
Aus den erwähnten Gründen ist es Ihrer Maj. Regierung unmöglich, ihrer-
seits dem vom Fürsten Gortschakoff eingeschlagenen Verfahren zuzustimmen.