Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

336 Trankreich. 
Versprechen halten", und erklärt sich bereit, allen und jeden Inter- 
pellationen Rede zu stehen. 
8. Jan. Die Rechte des gesetzgeb. Körpers beschließt in einer Partei- 
versammlung bei Baron David, dem Ministerium nicht von vorne- 
herein feindlich entgegenzutreten, sondern dasselbe vielmehr wo mög- 
lich zu unterstützen. 
9. „ Die Regierung sucht den Anforderungen der mächtigen Partei 
der Schutzzöllner wenigstens theilweise gerecht zu werden und dieser 
Agitation die Spitze abzubrechen, indem sie durch Decret die bloß 
zeitweilige Zulassung von Eisen und von Baumwollgeweben aufhebt. 
Seit 1854 werden an diesem Tage die auswärtigen Journale 
zum ersten Mal ohne Censur ausgegeben. Gleichzeitig wird den 
inländischen Blättern ohne Ausnahme das Recht des öffentlichen 
Verkaufes gestattet. 
11. „ Gesetzgeb. Körper: Ollivier entwickelt das Programm des neuen 
Ministeriums: 
„Die Kammer weiß, daß während ihrer Abwesenheit ein Cabinet gebildet 
worden ist. Dieses Cabinet erachtet es für seine Pflicht, dem gesetzgebenden 
Körper die Gründe seiner Entstehung und die Politik, welche es zu verfolgen 
gedenkt, auseinanderzusetzen. Die Wiederkehr des parlamentarischen Régime's 
mußte natürlich neue Männer an's Ruder bringen. Diese Männer, welche 
heute vor Ihnen stehen, werden im Besitze der Regierung dieselben bleiben, die 
sie in der Opposilion gewesen sind; sie werden eine liberale, ebenso ihren Prin- 
cipien als den Wünschen des Landes entsprechende Politik befolgen. Unsere 
Absichten sind Ihnen bekannt; sie sind in unserm gemeinschaftlichen Programm 
klar niedergelegt, und wir haben den festen Willen, sie zur Durchführung zu 
bringen. Für unser Werk haben wir zunächst das ganze Vertrauen des Sou- 
veräns nöthig; er hat es uns mit einer Großherzigkeit gegeben, für welche die 
Geschichte ihm dankbar sein wird. (Beifall.) Wir bedürfen ferner des ganzen 
Vertrauens der Mehrheit. und wir bitten sie um dasselbe. In der täglichen 
Praxis werden wir die größten Rücksichten für jedermann haben, ebenso für 
die Mehrheit, welche uns folgt und stützt, wie für die Opposition, deren Kri- 
tiken uns nicht minder nothwendig sein werden, als der Beistand unserer 
Freunde. Ja, wir wollen einer Politik der Versöhnung und der Beschwich- 
tigung huldigen, und an uns soll es nicht liegen, daß nicht alle schlechten Lei- 
denschaften und kränkenden Erinnerungen der Vergessenheit anheimfallen. An 
dem Tage, an welchem irgendwelche Gruppe dieser Versammlung in diesem 
Lande die Mehrheit erlangt, werden wir in Ihre Hände, in welchen Bänken 
sie auch sitzen möge, die schwere Verantwortlichkeit, die Geschäfte des Landes zu 
leiten, niederlegen. (Sehr gut!) Wir rufen also den guten Willen Aller an: 
unser Ziel ist die Versöhnung, die Beschwichtigung; in allen Momenten unse- 
res ministeriellen Daseins werden wir uns durch unsere Handlungen und unser 
Betragen bestreben, eine gemeinsame Strömung von Freiheit, Aufrichtigkeit 
und Ehrlichkeit herzustellen, damit sie die Vorwürfe, die bittern Erinnerungen, 
den Haß und die schlechten Leidenschaften hinwegreiße. Auf diese Weise können 
wir alle zusammen das herrlichste Werk, welches von politischen Männern ge- 
schaffen werden kann, wiederherstellen; wir können das nie erreichte Ideal aller 
großen Geister verwirklichen: die dauerhafte Gründung einer nationalen Re- 
gierung, die sich mit Festigkeit, wie mit Geschmeidigkeit, den wechselnden Be- 
dürfnissen der Dinge und den stetigen Umwandlungen der Ideen anpasse, die, 
indem sie das Aufsteigen der neuen Generationen begünstigt und deren Hoff-
	        
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