Trankreich. 337
nungen, Wünsche und geistigen Fähigkeiten in sich aufnimmt, die Geschicke un-
serer großen französischen Demokratie sichere, und den Forischritt ohne Gewalt-
thätigkeit und die Freiheit ohne Umsturz zum Siege führe.“
Die Rede des Hauptes der neuen Regierung erscheint ziemlich
farblos und findet nur mäßigen Beifall; die Linke setzt ihr eine
eisige Kälte entgegen. Eine Interpellation an den Kriegsminister
führt auch sofort zu einer Erklärung derselben über ihre Stellung
gegenüber dem Cabinet Ollivier.
Gambetta beschwert sich über die Antwort des Kriegsministers: Wenn
man hier eine Gesetzesverletzung von Seite der Gewalt zur Sprache bringe,
so heiße es gleich, man arbeite auf eine Emeute hin. Ollivier sucht ver-
mittelnd einzutreten. Das Ministerium achte die Männer der Linken zu sehr,
als daß es sie der Aufreizung beschuldigen könnte; er sei von ihnen nur durch
Fragen des Maßes und der Zweckmäßigkeit geschieden. Was aber die Armee
betreffe, so sei sie gerade nur unter der Bedingung, daß die Disciplin in ihr
streng aufrecht erhalten werde, eine Bürgschaft der öffentlichen Ordnung.
Gambetta: Nein, zwischen uns und Ihnen liegen nicht Opportunitätsfragen,
sondern ein Princip, und auf unsern Beistand dürfen Sie in keinem Falle
röchnen. Das allgemeine Stimmrecht ist mit der von Ihnen vertretenen Re-
gierungsform schlechterdings unvereinbar. Darüber die öffentliche Meinung
von dieser Tribüne aus aufzuklären, ist unsere Aufgabe. Ollivier: Sie be-
sinden sich in einem unlösbaren Widerspruch. Das allgemeine Stimmrecht,
auf welches Sie sich berufen, hat die gegenwärtige Regierung frei begründet;
das muß ich selbst erklären, der ich damals in der Minderheit war. (Unruhe
links.) Wenn ich davon nicht überzeugt gewesen wäre, so hätte ich nicht den
Eid geleistet und auch kein Ministerium angenommen. Gambetta: Die
Sprüche des allgemeinen Stimmrechts sind nicht unwandelbar. (Lärm.) Favbre
protestirt dagegen, daß ein Ministerium, welches selbst mit Hilfe eines Ver-
fassungsbruchs, nämlich einer die Grundlagen der Verfassung erschütternden
Interpellation an das Ruder gekommen sei, jetzt die Verfassung als ein un-
antastbares Palladium hinstellen wolle. Das allgemeine Stimmrecht und der
Nationakwille stünden über jedem geschriebenen Wort, und würden zuletzt auch
ohne Aufruhr und Gewaltthätigkeit Recht behalten.
10. Jan. Fataler Zwischenfall für die neue Regierung. Der Prinz Peter
11.
#lil
Vonaparte tödtet einen der Redacteure der „Marseillaise“" Rochefort's,
Victor Noir, der ihn behufs der Herausforderung zu einem Duell
in seiner Wohnung aufgesucht hatte. Der Vorfall ruft eine un-
geheure Aufregung hervor. Der Prinz wird dem Staatsgerichtshof
überwiesen.
„ Die Anmtzszeitung veröffentlicht einen Bericht Ollivier's an den
Kaiser, nach welchem die Rückkehr Ledru Nollin's nach Frankreich
gestattet werden soll. Der Kaiser hat den Bericht gebilligt.
„ Nochefort ergreift die Gelegenheit der Tödtung Victor Noir's
durch den Prinzen Peter Bonaparte zu einem Artikel von äußerster
Heftigkeit gegen die ganze Familie Bonaparte in seiner „Marseillaise“.
Die Regierung läßt das Blatt confisciren und verlangt vom gesetzgeb.
Körper seine Einwilligung zur gerichtlichen Verfolgung Rochefort's.
Gesetzgeb. Körper: Rochefort bringt selbst die Affaire Peter Bona-
parte-Victor Noir zur Sprache und ruft aus:
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