Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

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Frankreich. 
consult vorlegen, welches erklärt, daß die Ernennung der Maires eine Frage 
der Gesetzgebung und nicht der Verfassung ist, um dann einen Gesetzentwurf 
vorzubereiten, der in den gewöhnlichen Formen eingebracht werden wird. Die 
Einigkeit unter uns ist also vollständig, und nun ich Ihnen unsere Ansichten 
klar dargelegt, bitte ich vertrauensvoll um Ihre wohlwollende Unterstützung. 
Eine große Rolle ist Ihnen in unserem Werke beschieden. Sie werden uns 
rathen und in Schranken halten; Sie werden, wenn Sie wollen, nicht das 
gefährliche Hinderniß, welches aufhält, sondern das heilsame Hinderniß sein, 
welches uns gebietet, neue Kräfte zu sammeln, um desto sicherer weiter vor- 
wärts zu gehen.“ (Anhaltender Beifall.) 
17. Jan. Der gesetzgeb. Körper gesteht die Verfolgung Rochefort's mit 
18. 
20. 
22. 
29. 
226 gegen 34 Stimmen zu, nachdem Ollivier für den entgegen— 
gesetzten Fall die Cabinetsfrage gestellt hatte. 
„ Gesetzgeb. Körper: Beginn der Debatte über die Handelsfrage, 
bezüglich welcher nicht weniger als sieben Interpellationen vorliegen. 
Estancelin (gegen) verliest einen ziemlich compromittirenden Brief von 
Michel Chevalier an den Marschall Prim über die Motive des Kaisers zum 
Abschluß des englischen Handelsvertrags und zieht daraus die Folgerung: 
„Der Preis für Nizza und Savoyen war die Preisgebung des französischen 
Marktes an England.“ Selbstverständlich protestirt die Kammer laut gegen 
diese Betheuerung, welcher der Redner indeß ruhig hinzufügt: „Das ist eine 
Thatsache.“ 
„ Ausbruch eines Strike von ca. 10,000 Arbeitern in den Eisen- 
werken des Kammerpräsidenten Schneider. Derselbe eilt selbst, die 
Regierung schickt 5000 Mann Truppen dahin. Als der Haupträdels- 
führer erscheint ein gewisser Assy von der internationalen Liga. 
„ Rochefort wird vom Gericht wegen seines Artikels vom 11. d. M. 
zu 6 Monaten Gefängniß und 3000 Frcs. Buße verurtheilt; da- 
gegen wird von einer Entziehung der politischen Rechte Umgang ge- 
nommen, so daß er Abgeordneter bleibt. 
„ sei Amtszeitung veröffentlicht den Entwurf eines neuen Preß= 
gesetze 
Derselbe weist dem Geschwornengericht die Beurtheilung aller Preßvergehen 
und Verbrechen gegen Staat und Beamte zu, während die durch die Presse 
begangenen Vergehen gegen Privatleute, als Beleidigungen, Verleumdungen 
nach wie vor der einfachen Zuchtpolizei unterworfen bleiben. Dagegen ist von 
nun an bei Beleidigungen oder Verleumdungen, an Beamten verübt, der Be- 
weis der Wahrheit zulässig, was bisher nicht der Fall gewesen, und zu den 
lebhaftesten Klagen Veranlassung gegeben hatte. Die Penalität ist, wie sie 
früher bestand, aus der bisherigen Gesetzgebung mit hinübergenommen worden. 
Der Entwurf gibt auch den Blättern nicht das Recht wieder, über Preßprozesse 
zu berichten. 
Gleichzeitig richtet Ollivier ein Rundschreiben an die Generalprocura= 
toren mit Instructionen über die Behandlung der bisherigen Gesetze über die 
Presse. Dieselbe soll freier als bisher sein; doch bleibt es dabei, daß sie keine 
nichtauthentischen Berichte über die Kammerverhandlungen und gar keine über 
die Berathungen des Staatsraths zulassen dürfen. 
„ Gesetzgeb. Körper: Schluß der Debatte über die Handelsfrage 
und Beschluß, eine Enquste durch einen Ausschuß von 36 Mitglie- 
dern, der von der Kammer gewählt werden soll, vornehmen zu lassen.
	        
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