Trankreich. 341
Meährend der langen Debatte ergreift Thiers wiederholt das Wort, um
in stundenlangen Auseinandersetzungen seine schutzzöllnerischen Ansichten zu ver-
theidigen. Daneben nimmt er plötzlich Gelegenheit, um der Rechten, die ihn
sonst unterstützte, den Fehdehandschuh entgegenzuwerfen. „Ihr seid nicht die
Majorität im Lande, und weil Ihr das selbst wißt, unterstützt Ihr das Ca-
binet, das meine, nicht Eure Ansichten repräsentirt, denn eine andernfalls mög-
liche Auflösung würde Euch den Wiedereintritt in die Kammer auf immer
versagen.“ (Die Rechte lärmt; Einige rufen ihm: Orleanist! Andere: Revo-
tutionär! zu.) Ollivier erklärt, das Ziel der Handelspolitik, welche die
Negierung verfolge, sei die Handelsfreiheit, mit Maß und Klugheit gellbt,
nach dem Wunsche des Landes, ohne daß man die Gegenwart der Zukunft
aufopfern wolle. Diese Politik sei in den Augen der Regierung eine Ursache
des Fortschritts für die Industrie, des Wohlseins für das verzehrende Pub-
likum, des Friedens und der Annäherung für die Nationen Europa's. Die
Regierung hat nicht die Absicht, den Vertrag mit England zu kündigen. Sie
hält eine solche Maßregel für unbillig und unpolitisch. Der große Grundsatz
der politischen Klugheit besteht darin, daß man nicht unnütze Kraftanstreng-
ungen mache. Wenn der Vertrag einfach in einem oder zwei Punkten ver-
ändert werden soll, wozu denn zu dem lärmenden Mittel der Kündigung grei-
feen? „Auch rein politische Erwägungen haben auf den Entschluß der Regierung
eingewirkt. Es handelt sich nicht darum, England unserer Industrie oder un-
serer Ehre aufzuopfern. Wir wollen zu dieser Nation, wie zu allen anderen,
in freundlichen, loyalen, tadellosen Beziehungen stehen, und eben für England
legen wir ein besonderes Gewicht hierauf, weil dabei ein Interesse ersten Ranges
ins Spiel kommt, das Interesse des Friedens.“ Zu dem schwierigsten Punkte
seiner Erklärung übergehend, nämlich zu der Antwort auf Thiers' Behauptung,
daß die Mehrheit der Kammer nicht die Mehrheit des Landes sei, bemerkt
Ollivier: „Das Wort Mehrheit bezeichnet für die Regierung nicht eine frühere
Gruppe, mit welcher die Mitglieder des Cabinets in heute vergessener Un-
einigkeit gelebt haben. Die Mehrheit ist derjenige Theil der Kammer, welcher
unsere Politik angenommen hat und dieselbe unterstützt. In diesem Sinne
kann die Regierung sagen, daß niemals eine Mehrheit eine stolzere, würdigere,
loyalere Unterstützung ertheilte, denn sie hat sich nicht begnügt, uns in der
Gewalt zu unterstützen, sie hat uns vielmehr zu derselben geführt, indem sie
im Voraus die Bedingungen ihrer Mitwirkung andeutete. Um auf genaue
Art unsere Stellung zu Jedermann in dieser Versammlung zu bezeichnen, sage
ich ohne Prahlerei, mit Bescheidenheit, aber mit Würde: Wir suchen und
nehmen die Mitwirkung Aller an, aber wir suchen und nehmen den Schutz
Niemandes an.“
1. Febr. Die Regierung nimmt einige Veränderungen in der Besetzung
der Präfecturen vor. Dieselben sind völlig ungenügend, wenn es
sich darum handelt, mit dem bisherigen System der administrativen
Willkür aufzuräumen. Dernoch sind die Bonapartisten auch über
die geringen Veränderungen sehr unzufrieden.
„ „ Graf Daru ersucht den englischen Minister des Auswärtigen,
Lord Clarendon, den norddeutschen Bundeskanzler für eine gegen-
seitige Entwaffnung sowohl Frankreichs als Deutschlands zu ge-
winnen:
„.. . Ich bin überzeugt, daß die Ueberlegung und die Zeit den Kanzler
dahin bringen werden, den Schritt Englands in ernste Betrachtung zu ziehen;
wenn er nicht vom ersten Tage ab jede Eröffnung zurückgewiesen hat, wird
Preußens und Deutschlands Interesse sich sehr bald laut genug geltend machen,