Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

350 Fraubreich. 
der Decentralisation beginnt bereits ihre Arbeiten unter dem Vor— 
sitze Odilon Barrot's. 
9. März. Der gesetzgeb. Körper erklärt sich gelegentlich einer Inter- 
pellation durch die Tagesordnung einstimmig dafür, daß die Ein- 
führung einer Civilregierung in Algerien den Interessen der Ein- 
geborenen und der Europäer in gleicher Weise zu entsprechen scheine. 
Senat: Ollivier erklärt, die durch den Senat bei Gelegenheit 
der Wahl der Maires gegen häufige Aenderungen der Verfassung 
kundgegebene Abneigung bestimme das Cabinet, die Trennung zwi- 
schen den rein constitutionellen Befugnissen des Senats und den 
das Gebiet der Gesetzgebung betreffenden eiyer Prüfung zu unter- 
ziehen. Zu diesem Zwecke werde er dem Senat einen Gesetzent- 
wurf vorlegen, der das Ganze der für nothwendig erachtelen Aende- 
rungen an der Verfassung enthalte. 
Die außerparlamentarische Decentralisationscommission beschließt, 
die Frage der Ernennung oder Wahl der Maires getrennt und zu- 
erst in Berathung zu ziehen. 
13. „ Montalembert kt. 
19. „ Die für das Studium der Pariser Frage niedergesetzte Commis- 
sion, die sich zuerst für die Einsetzung eines Municipalraths von 
40 gewählten und 20 von der Negierung ernannten Mitgliedern 
erklärt hatte, entscheidet sich schließlich für 80 gewählte Mitglieder. 
21. „ Beginn des Prozesses gegen Prinz Peter Napoleon wegen Täödt- 
ung des Victor Noir vor dem Staatsgerichtshof in Tours. 
22. „ Der Kaiser erklärt sich mit den Ansichten Ollivier's und des 
Cabinets betr. eine Revision der Verfassung einverstanden. Offener 
Brief desselben an Ollivier: 
„Hr. Minister! Ich glaube, daß es unter den gegenwärtigen Umständen 
angemessen ist, alle die Reformen zu adoptiren, welche die constitutionelle Re- 
gierung des Kaiserthums fordert, um dem ungemäßigten Verlangen nach Aen- 
derungen ein Ziel zu setzen, welches sich gewisser Gemüther bemächtigt hat und 
die öffentliche Meinung beunruhigt, indem es einen Zustand der Unsicherheit 
schafft. Unter diese Reformen stelle ich in erster Linie diejenigen, welche die 
Constitution und die Prärogativen des Senats berühren. Die Constitution 
von 1852 mußte vor Allem der Regierung die Mittel verleihen, die Autorität 
und die Ordnung wieder herzustellen, aber es war nöthig, daß sie verbesserungs- 
fähig bleibe, so lange der Zustand des Landes nicht erlaubte, die öffentlichen 
Freiheiten auf soliden Grundlagen festzustellen. Heute, nachdem eine Folge 
von Umgestaltungen die Herstellung einer constitutionellen Regierung herbei- 
geführt hat, in Harmonie mit den Grundlagen des Plebiscits, ist es nöthig, 
alles das, was in speciellerer Weise in die Legislative gehört, auf das Gebiet 
des Gesetzes zurückzuführen, den jüngsten Reformen einen definitiven Charakter 
zu verleihen, die Constitution über alle Controverse hinauszustellen und den 
Senat, diese große Körperschaft, die so viele Einsichten besitzt, anzurufen, seine 
wirksamere Mitwirkung dem neuen Regimente zuzuwenden. Ich bitte Sie 
daher, Sich mit Ihren Collegen in Einvernehmen zu setzen, um mir einen 
Entwurf zu einem Senatsbeschlusse vorzulegen, welcher die aus der Volks- 
abstimmung von 1852 erfließenden Fundamentalbestimmungen unabänderlich
	        
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