Frankreich. 367
von uns, sagt er, liebt leidenschaftlich den Frieden und hat über die von der
Regierung übernommene Verantwortlichkeit Ansichten, die sie später entwickeln
wird. Wenn aber Frankreich jemals in Waffen dem Feind gegenübersteht,
wird man auf unseren Bänken ebenso viel Energie finden, als irgendwo, da-
mit der Krieg gut geführt werde und namentlich, damit er kurz sei. — Die
Sitzung wird unterbrochen. Nachdem sie wieder aufgenommen werden, er-
greist Ollivier auf's Neue das Wort. Die Regierung, sagt er, will vor
Allem in dieser Angelegenheit die ganze Wahrheit sagen. Eigentliche Depeschen
über dieselbe haben wir nicht, sondern nur diplomatische Berichte, die zu ver-
öffentlichen nicht Brauch ist. Aber der Grund des Bruchs sollte doch genü-
gend dargelegt sein. Es kann vorkommen, daß ein König sich weigert, einen
Botschafter zu empfangen; aber etwas anderes ist es, wenn die Weigerung
eine absichtliche, wenn sie den fremden Cabinetten durch Telegramme und dem
Lande durch Extrablätter notifizirt wird. Dieses Verfahren war um so be-
deutsamer, als der Adjutant, welcher unserem Botschafter eröffnete, daß er nicht
empfangen werden könne, es an keiner Höflichkeitsform fehlen ließ, so zwar,
daß unser Botschafter selbst von der beleidigenden Absicht keine Ahnung hatte
und uns unter dem ersten Eindruck auch in diesem Sinne telegraphirte.
Thiers: Da möge nun Jedermann richten! v. Choiseul: Man kann un-
möglich aus solchem Grunde den Krieg erklären! Garnier-Pageès: Das
sind Redensarten. Arago: Wenn man dies hören wird, wird die civilisirte
Welt Ihnen Unrecht geben, und wenn Sie darauf hin den Krieg erklären,
wird man wissen, daß sie ihn um jeden Preis haben wollten. (Lärm rechts,
Zustimmung links.) Ollivier: Man wollte uns demüthigen und eine
Schlappe beibringen, um sich für die Verxzichtleistung des Prinzen von Hohen-
zollern zu entschädigen. Grévy: Wo haben Sie die Beweise für diese Be-
hauptung Ollivier: Wenn Sie eine solche Situation vor den Augen Eu-
ropa's annehmen wollen, wir können es nicht. Wann hat man jemals in der
Geschichte es gewagt, sich hinter unserm Rücken zu verschwören, um einen
preußischen Prinzen auf den spanischen Thron zu erheben? Dies allein hätte
uns schon auf's Aeußerste bringen sollen, und wir haben noch unterhandelt
und nur Zusicherungen für die Zukunft verlangt. Man verweigerte uns die-
selben. Haben wir zuerst beleidigt? Nein, wir unterhandelten weiter, und
zum Lohn für unsere Mäßigung werden die Unterredungen in hochmüthiger
Weise abgebrochen. Wer dies rechtfertigen möchte, kennt nicht das seit Jahren
zwischen beiden Nationen bestehende gereizte Verhältniß. Hat nicht gerade die
Opposition seit 1866 alljährlich wiederholt, daß Sadowa die französische Na-
tion gedemüthigt und von dem ersten Nang in Europa herabgestürzt hätte7
Gleichwohl bewahrte die Regierung die größte Langmuth gegen Preußen.
Haben wir nicht noch in der Angelegenheit der Gotthardbahn das Verfahren
Preußens als ein rechtmäßiges respectirt und vertheidigt? Wie oft hat man
nicht unsere Aufmerksamkeit auf das unglückliche Loos der Dänen von Schles-
wig gelenkt, wie oft darauf gedrungen, daß wir die Ausführung des Prager
Friedens verlangen sollten! Ich habe es stets abgelehnt; rühren wir nicht,
sagte ich, an diese brennenden Fragen, sie könnten erst zu Animositäten und
dann zu einem Zusammenstoß führen, den wir nach Kräften vermeiden wollen.
Und während wir so mit eifrigster Sorge über den europäischen Frieden wach-
ten, fordert Preußen uns heraus mit einem Anspruch, der einen Elementarsatz
der französischen Politik, für welchen wir unter Ludwig XIV. Jahre lang ge-
kämpft haben, umstoßen würde. Noch vor wenigen Wochen war Europa glück-
lich und in Frieden. Haben wir etwa diese gefährliche Streitfrage aufgeworfen?
Haben wir etwa ein Recht jenes großen und edlen Deutschlands verkannt,
dessen Feinde wir nicht sind? Haben wir etwa das Feuer in die Nähe des
Pulvers gebracht, um uns dann zu wundern, wenn eine Explosion erfolgt?
Bedenken Sie, daß, wenn wir nicht rasch zu Werke gegangen wären, ein Votum
der Cortes den preußischen König proclamirt hätte, und daß wir es dann noch