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Trankreich.
forderung der Huissiers in den Sitzungssaal zurückgekehrt, alle andern wei-
gern sich, inmitten dieser Unruhe zu berathen. Schneider hat indeß den Prä-
sidentenstuhl eingenommen. Cremieux, Gambetta, Schneider, Glais-Bizoin
wenden sich mit Ansprachen direct an die Tribünen, um sie zum Schweigen
zu vermögen. Gambetta erklärt ihnen, die Linke habe sich gegenüber der
Kammer verpflichtet, der Freiheit ihrer Berathungen Achtung zu verschaffen.
Die Wirkung ist nur eine momentane, der Lärm dauert fort. Um 3 Uhr
werden die Thüren zum Sitzungssaale eingeschlagen, die Menge dringt in
denselben und stimmt die Marseillaise und den chant du départ an. Von
allen Seiten ertönt: Es lebe die Republik. Präsident Schneider: Da jede
Berathung unter diesen Umständen unmöglich ist, so erkläre ich die Sitzung
für aufgehoben. Es ist 3 Uhr. Der Präsident verläßt seinen Sessel; die
Menge nimmt vom Bureau und von der Rednerbühne Besitz und hat sich
vollständig zum Herrn des von ihr angefüllten Saales gemacht.
Senat (23 Uhr): Die suspendirte Sitzung wird wieder aufge-
nommen.
Präsident Rouher theilt ihm den Tumult im Sitzungssaale des gesetz-
gebenden Körpers mit, und daß dieser auf jede Berathung verzichtet zu haben
scheine. Ein Senator verlangt, daß sich der Senat in Permanenz erkläre.
Rouher: Wir können hier noch lange warten, ohne uns mit einem Gesetz-
entwurf befassen zu können; wir haben in der That keinen Gegenstand der
Berathung. Uebrigens bin ich bereit, die Beschlüsse des Senats auszuführen.
Baroche (der frühere Justizminister): Der Senat muß vor Allem mit der
größten Entschiedenheit gegen die Vergewaltigung protestiren, deren Opfer die
andere Versammlung ist. Wenn wir hoffen könnten, daß sie sich auch gegen
uns wenden möchten, jene revolutionären Volkskräfte, welche in den gesetzgeben-
den Körper eingedrungen sind, so würde ich denken, daß Jeder von uns auf
seinem Sessel ausharren müßte, um die Eindringlinge zu erwarten. Aber
unglücklicher Weise — denn hier ist es, wo ich sterben möchte! — können
wir diese Hoffnung nicht haben. Die Revolution wird in Paris ausbrechen
und wird nicht in diese Umfriedigung dringen. Vielleicht könnten wir draußen
noch dem Lande und der Dynastie einen Dienst leisten; denn ich will hier
ganz laut von der Dynastie sprechen. (Jal jal Sehr gutl) Indem wir uns
trennen, weichen wir übrigens schon der Gewalt und nicht der Einschüchterung,
und unsere Aufgabe sei, ein jeder durch seine persönlichen Mittel, die Ord-
nung und die kaiserliche Dynastie zu vertheidigen. Der Antrag auf Per-
manenzerklärung wird abgelehnt und die Sitzung geschlossen.
Die Kaiserin flieht in aller Eile von Paris.
Der Platz vor dem Stadthause ist von einer ungeheuern Volks-
menge besetzt, welche die Republik verlangt und ausruft. Im Stadt-
hause constituiren sich die Deputirten der Stadt Paris (ohne Thiers)
unter dem Vorsitze des Generals Trochu als „provisorische Regie-
rung der nationalen Vertheidigung“: Trochu, Favre, Jules Simon,
Picard, Pelletan, Cremieux, Ferry, Glais-Bizoin, Gambetta, Roche-
fort, Arago, Garnier-Pag&es. Die Umwälzung ist eine vollständig
unblutige. Die Häupter der bisherigen kaiserlichen Regierung und
Partei ergreifen die Flucht und gehen meist nach England.
Der gesetzgeb. Körper tritt spät am Abend nochmals zusammen.
Es wird der Versuch einer Verständigung zwischen ihm und der
neuen auf dem Stadthause eingesetzten Negierung gemacht, um die
Rechtscontinuität zu wahren. Die neue Regierung geht jedoch auf
den Vorschlag nicht ein.