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45. Febr. Der Papst erklärt auf eine Andeutung, ob nicht, um die
Gemüther sich sammeln und beruhigen zu lassen, eine Vertagung
des Concils als angezeigt erscheine, sofort und bestimmt, der mate—
teriellen Gewalt könne es gelingen, das Concil zu sprengen, niemals
aber werde er der Schwäche sich schuldig machen, durch diese Ver—
tagung es moralisch zu tödten.
20. „ Noch bevor das Concil auch nur Einen Beschluß gefaßt hat, und
um der Opposition von vorneherein die Spitze abzubrechen, erläßt
der Papst, wiederum aus eigener Machtvollkommenheit, eine neue
Geschäftsordnung, welche das für Concilien bisher beobachtete Prin-
cip der Einstimmigkeit beseitigt und das System der Mehrheits-
beschlüsse auch für Glaubenssachen, ganz wie bei den welltlichen
Parlamenten, einführt. Den Vorlagen der päpstlichen Curie ist
dadurch die Annahme zum voraus gesichert, das Schicksal der Mi-
norität besiegelk. ·
Döllinger, der gelehrteste und geistvollste Gegner der Infallibilitätspartei
in Deutschland, unterwirft diese revidirte Geschäftsordnung einer einläßlichen
Kritik von kirchlichem Standpunkte aus, wobei er Eingangs bemerkt: „Die
neue Geschäftsordnung, welche dem Concil durch die fünf Cardinallegaten auf-
erlegt worden, ist völlig verschieden von Allem, was sonst auf Conecilien ge-
bräuchlich war, und zugleich maßgebend und entscheidend für den fernern Ver-
lauf dieser Versammlung und für die zahlreichen Decrete, welche durch sie
zu Stande gebracht werden sollen. Sie verdient daher die sorgfältigste Be-
achtung. Zur geschichtlichen Orientirung mag nur in der Kürze erwähnt
werden, daß für die allgemeinen Concilien der alten Kirche im ersten Jahr-
tausend eine bestimmte Geschäftsordnung nicht existirte. Nur für römische und
spanische Provinzialconcilien gab es ein liturgisches Ceremoniell. Alles wurde
in voller Versammlung vorgetragen; jeder Bischof konnte Anträge stellen,
welche er wollte, und die Präsidenten, die weltlichen sowohl, welche die Kaiser
sandten, als die geistlichen, sorgten für Ordnung und leiteten die Verhand-
lungen in einfachster Weise. Die großen Concilien zu Constanz und Basel
machten sich eine eigene Ordnung, da die Theilung und Abstimmung nach
Nationen eingeführt wurde. In Trient wurde diese Einrichtung wieder ver-
lassen, aber die Legaten, welche präsidirten, vereinbarten die Geschäftsordnung
mit den Bischöfen, der Cardinal de Monte ließ darüber abstimmen, und alle
genehmigten sie. Von keiner Seite erfolgte ein Widerspruch. So ist denn
die heutige römische Synode die erste in der Geschichte der Kirche, in welcher
den versammelten Vätern ohne jede Theilnahme von ihrer Seite die Procedur
vorgeschrieben worden ist. Das erste Regolamento erwies sich so hemmend
und unpraktisch, daß wiederholte Gesuche um Abänderung und Gestattung
freierer Bewegung von verschiedenen Fractionen des Episcopats an den Papst
gerichtet wurden. Dies war vergeblich; aber nach dritthalb Monaten fanden
die fünf Legaten endlich selber, daß, wenn das Concil nicht ins Stocken ge-
rathen solle, eine Aenderung und Ergänzung dringend nothwendig sei. Auf
die Petitionen der Bischöfe ist indeß in der neuen Einrichtung keine Rücksicht
genommen worden. Zwei Züge treten darin vor Allem hervor. Einmal
ist alle Macht und aller Einfluß auf den Gang des Concils in die Hände
der präsidirenden Legaten und der Deputationen gelegt, so daß das Con-
cil selbst ihnen gegenüber machtlos und willenlos erscheint.
Sodann sollen die wichtigsten Fragen des Glaubens und der Lehre durch ein-
sache Mehrheit der Kopfzahl, durch Aufstehen und Sitzenbleiben, entschieden
werden." Der Schluß lautet: „Alle Theologen machen es zur Bedingung