Rom. 439
Kapitel II.
Ueber die Fortdauer des Primates Petri in den römischen Päpsten.
Was aber in dem heil. Apostel Petrus der Fürst der Hirten und der große
Hirte der Schafe, der Herr Christus Jesus (1 Petri 5, 4.; vgl. Hebr. 13, 20), zum
dauernden Heil und beständigen Wohl der Kirche eingesetzt hat, das muß, unter eben-
demselben Stifter in der Kirche, welche, auf den Fels gegründet, bis zum Ende der
Zeiten feststehen wird, nothwendig auch beständig dauern. Denn Niemandem ist es
zweifelhaft, allen Jahrhunderten vielmehr ist es bekannt, daß der heilige und aller-
heiligste Petrus, Erstling und Haupt der Apostel, und Säule des Glaubens und
Grundfeste der katholischen Kirche, der von Unserm Herrn Jesus Christus, dem Hei-
land und Erlöser des Menschengeschlechtes, die Schlüssel des Reiches empfangen hat,
bis auf diese Zeit und immer in seinen Nachfolgern, den Bischöfen des von ihm ge-
gründeten und durch sein Blut geweihten heil. römischen Stuhles, lebt und vorsitzt
und Gericht übt (vgl. Labb. Coll. Conc. t. III. col. 1154. Ephes. Conc. act. III
orat. Philippi Sed. A. Legati; coll. S. Petri Chrysost. ep. ad. Eutych. presb.);
also daß jeder, welcher dem Petrus auf diesem Stuhle nachfolgt, auch nach Christi
eigener Anordnung den Primat Petri Üüber die gesammte Kirche besitzt. Es bleibt
ihm also die Verwaltung der Wahrheit, und der heil. Petrus hat, auf der empfan-
genen Stärke des Felsens beharrend, das übernommene Steuer der Kirche nicht ver-
lassen (S. Leo M. Serm. III (al. III n. 3).
Kapitel III.
Ueber Bedeutung und Wesen des Primates des römischen Papstes.
Daher, Uns haltend an die Decrete sowohl Unserer Vorgänger der römischen
Päpste, als an die klaren und deutlichen Definitionen der allgemeinen Concilien, er-
neuern Wir das Glaubensbekenntniß des öcumenischen Florentinischen Concils, laut
welchem alle Christgläubigen zu glauben haben, daß der heil. apostolische Stuhl und
der römische Papst den Primat über den ganzen Erdkreis innehat, und daß der rö-
mische Papst selbst der Nachfolger des heil. Petrus, des Apostelfürsten, und der wahre
Stellvertreter Christi und das Haupt der ganzen Kirche und der Vater und Lehrer
aller Christen ist; und daß ihm im heil. Petrus von unserm Herrn Jesus Christus
volle Gewalt verliehen ist, die gesammte Kirche zu weiden, zu leiten und zu lenken;
wie solches auch in den Verhandlungen der öcumenischen Coniilien und in den heil.
Canones enthalten ist.
Ferner lehren und erklären Wir, daß diese der päpstlichen Jurisdiction eigene
Gewalt eine ordentliche und unmittelbare ist, gegen welche die Hirten und Gläubigen
sämmtlicher Einzelkirchen jeglichen Ritus und Rangs, jeder einzelne sowohl für sich
als auch alle zusammen, zur Pflicht der hierarchischen Subordination und zum wahren
Gehorsam verbunden werden, nicht allein in Sachen des Glaubens und der Sitten,
sondern auch in dem, was zur Disciplin und Regierung der über den ganzen Erd-
kreis zerstreuten Kirche gehört: daß die Einheit der Gemeinschaft sowohl als des Glau-
bensbekenntnisses mit dem römischen Papste gewahrt und die Kirche Christi eine Heerde
unter einem obersten Hirten ist.
Das ist die Lehre der katholischen Wahrheit, von welcher ohne Schädigung
des Glaubens und des Heils Niemand abweichen kann. Allein diese Gewalt des
obersten Papstes steht durchaus nicht entgegen jener ordentlichen und unmittelbaren
Gewalt der bischöflichen Jurisdiction, durch welche die Hirten der Einzelkirchen, jeder
die ihm zugewiesene Heerde, weiden und leiten; letztere wird vielmehr von dem ober-
sten und allgemeinen Hirten geltend gemacht, bestärkt und in Anspruch genommen,
indem der hl. Gregor der Große sagt: „Meine Ehre ist die Ehre der ganzen Kirche.
Meine Ehre ist meiner Brüder volle Kraft. Dann bin ich wahrhaft geehrt, wenn
jedem einzelnen die schuldige Ehre nicht verweigert wird“ (S. Gregor. M. ad Eulog.
Alex. ep. XXX.).
Des Ferneren folgt aus jener obersten Jurisdictionsgewalt des römischen
Papstes, daß es ein diesem Papste nothwendiges Recht sei, in der Uebung dieses