11. Rußland.
15. Jan. (Ostseeprovinzen). Der livländische Landtag beschließt eine
Adresse für Anerkennung der Landesrechte, eine wahre petition of
rights, an den Kaiser zu richten:
„Nachdem Peter der Große das Herzogthum Livland bis zur äußersten
Niederlage desselben mit Krieg überzogen hatte, schickte sich Se. k. Maj. nicht
dazu an, Livland als erobertes Territorium seinem großen Reich einzuver-
leiben, weil Allerhöchstdemselben eine solche einfache Territorialerweiterung aus
innern und äußern Gründen nicht opportun erschien. Se. Maj., der große
Czar, zog es dagegen vor, dem völlig in seiner Gewalt sich befindenden Lande
die Capitulation zu gewähren, d. h. einen staatsrechtlichen Pact zu
schließen, durch welchen einerseits das Land sich freiwillig und unter strikten
Bedingungen dem czarischen Scepter für alle Zeit subjicirte, während anderer-
seits des Czaren Maj. die Aufrechterhaltung dieser Bedingungen ebenso für
immerwährende Zeit gelobte. Dieser Pact ist in der Capitulation von 1710
und deren Confirmation von demselben Jahr enthalten, wird im Mystädter
Frieden vom Jahre 1721 gewahrt und bestätigt, hat in Form der entspre-
chenden Documente in der vollen Sammlung der russischen Reichsgesetze Auf-
nahme gefunden, ist von allen Monarchen Rußlands feierlichst anerkannt wor-
den, enthält die ganze Verfassung und Rechtsgrundlage Livlands,
und bildet zur Stunde noch die einzige Basis des staatsrecht-
lichen Verhältnisses zur russischen Krone.
„Wiederholte Versuche, diese livländischen Verfassungsgrundgesetze zu
verletzen, sind unter Anrufung der kaiserlichen Huld und Gerechtigkeit und
Hinweis auf das garantirte Recht bereits im vorigen Jahrhundert abge-
wandt worden, und selbst der radicale Versuch, welchen die Regierung im
Jahre 1783 durch die gewaltsame Einführung der Staathalterschaftsverfassung
machte, ward im Jahre 1796 durch Se. Maj. den Kaiser Paul, unvergeß-
lichen Andenkens, desavouirt und die Verfassung durch unumwundene Aner-
kennung des capitulationsmäßig zugestandenen Rechts in integrum restituirt.
Durch die Heilighaltung der Allerhöchst beschwornen Grundrechte erblühte dem
Land eine Entwicklung, wie sie demselben unter den frühern (polnischen und
schwedischen) Herrschaften nicht vergönnt war, weil von den Repräsentanten dieser
Herrschaften die angelobten Verfassungsrechte verletzt wurden, und mit dem
Rechtsbruch auch die Rechtsunsicherheit Platz griff.
„Die Verfassungsrechte Livlands sicherten den das Land vertreten-
den Ständen die Mitbetheiligung an dem Ausbau der localen Gesetzgebung
und, wo die Regierung einen solchen nach Maßgabe der Zeitbedürfnisse zum