Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

500 Mebersicht der Ereignisse des Fahres 1870. 
Presse und Oeffentlichkeit jeder parlamentarischen Versammlung von selbst 
mittheilt und die schon so. manchen im Dunkel der Cabinette ersonnenen 
Plan zu Schanden gemacht hat. Die Art, wie die Curie dies geistliche 
Parlament vom ersten Tage an zu handhaben verstand, verrieth die. ge- 
naueste Kenntniß der Hebel, mit denen man in solchen Fällen sicher zum 
Siege gelangt. Die Curie trat in's Concil mit der geschlossenen Pha- 
lanx einer Mehrheit von etwa 600 Köpfen, bestehend aus ungefähr 120 
Prälaten ohne Sprengel, 143 Bischöfen des Kirchenstaats;, 30 Ordens- 
generalen, 68 Neapolitanern, 80 Bis schöfen hispanischer Race u. s. w. 
und theils außer= theils innerhalb dieser Categorien 300 Kostgängern des 
Papstes, die von diesem mittelst einer täglichen Ausgabe von 25 000 Fr. 
verpflegt werden. Dieser Schaar gegenüber, auf deren militärischen Ge- 
horsam unbedingter Verlaß war, stand eine Minderheit deutscher, ungari- 
scher, französischer, portugiesischer, nordamerikanischer und orientalischer Präs- 
laten, die zu spalten, zu überreden, zu gewinnen und äußerstenfalls zu 
überwältigen kein Mittel unbenutzt blieb. 
Gleich die zu Anfang octroyirte, nachher noch verschärfte Ges chäfts- 
ordnung, gegen die der muthige Bischof Stroßmayer von Diakovar 
vergebens Protest einlegte, war mit größtem Geschick darauf berechnet, 
erstens jeden unabhängigen Antrag und zweitens jede wirkliche Ver- 
handlung auf eine brutale Weise unmöglich zu machen. In einer durch 
und durch katholischen Zeitschrift, dem Pariser „Correspondent", sprach sich 
der Schwiegersohn des Grafen Montalembert, der Vicomte de Meaux, 
darüber folgendermaßen aus: „Die Entwürfe sind zum Voraus gemacht, 
die Geschäftsordnung ist aufgenöthigt, die Ausschüsse sind gewählt vor 
jeder Berathung, nach offiziellen Listen, durch eine disciplinirte Mehrheit, 
die abstimmt wie ein Mann. In diesen Ausschüssen ist die Minderheit: 
nicht vertreten, andere Berathungen als die der General-Congregationen 
(der feierlichen Gesammtsitzungen) finden außerhalb der Ausschüsse nicht 
Statt. In diese Congregationen aber werden die Gegenstände ganz neu 
eingebracht, und den 700 Mitgliedern vorgelegt ohne jede vorhergehende 
Erläuterung. Die Reden werden nur mit Mühe verstanden und Auf- 
zeichnungen, die nachträglich eingesehen werden könnten, gibt es nicht. 
Dann ist den Bätern verboten, irgend Etwas für das Concil in Rom 
drucken zu lassen. An all dem erkennt man eine Versammlung, die be- 
rufen ist, nicht um zu discutiren, sondern zu approbiren, die bestimmt ist, 
die Macht, von der sie berufen t, zu erhöhen, statt sie zu ermäßigen.
	        
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