Per deutsch-sranfösische Krieg. 525
Deutschland und Deutschland in Preußen aufgegangen sei. Und so brachen
Tage an, wie sie wohl Preußen im Februar und März 1813, Deutsch-
land als Gesammtheit aber noch niemals gesehen. Von den Alpen bis
zum Meer, vom N hein bis an die March brach ein Enthusiasmus los, dessen
Ungestüm alle Dämme niederriß, alle Parteien verschmolz, allen Haß, alles
Mißtrauen von ehedem in einer einzigen Empfindung begrub: ein Auf-
wallen mannhafter Begeisterung, die in Millionen Herzen unwiderstehlich
emporflammte, alles Gemeine und Unedle abstreifte, um schlichte Alltagsmen-
schen zu Helden zu machen und die Idee der Hingabe an die höchsten
Güter in einer wahrhaft erschütternden Reinheit zu Tage treten ließ.
In dem unvergeßlichen Schauspiel dieser Erhebung feierte das deutsche
Volk seinen Auferstehungstag als Nation. Gibt es denn wirklich ein
deutsches Volk, das einerlei Meinung hat über Ehre und Schande, das
eins ist und sein will diesseit und jenseit des Main? So fragte sich die
Welt, als der ruchlose Mordanfall des zweiten Kaiserreichs auf den ruhe-
liebenden Nachbar erfolgte. Die Antwort kam, wie sie kommen mußte,
rasch, überwältigend wie das Schicksal selbst. Sichtbar ward das un-
sichtbare Werk der nationalen Idce, die zwei Menschenalter in wirrevoller
Entwicklung gebraucht, um Widerstände und Hemmnisse zu zerstören, und
die nun mit einem Tage mezestätisch als Siegerin geharnischt durch das.
Land schritt. Damals schon, noch ehe ein Tropfen Bluts geflossen war,
noch ehe irgend Jemand die zermalmende Ueberlegenheit der deutschen
Waffen ahnte, stand es fest und über allen Zweifel erhaben: die deutsche
Nation war gegründet, die fünfhundertjährige Leidensgeschichte ihrer Schwäche
und Zerrissenheit hatte ein Ende, der Sehnsuchtsgedanke von Menschen-
altern, der Traum der Väter, die Hoffnung der Jugend war herrlich in
Erfüllung gegangen, der Deutschen Vaterland war endlich geschaffen.
Getragen von einer. Volksbewegung, die ebenso imposant war durch
ihren Schwung, wie durch die maßvoll ritterliche Ruhe, die sie sich selber
auferlegte, ging nun die Rüstung Deutschlands unter Vortritt der führen-
den Macht ihren großartigen Gang. Auf ein paar telegraphische Zeilen
aus Berlin hatte bereits am 16. Juli die Mobilmachung des deutschen
Heeres begonnen, als am 19. die formelle Kriegserklärung Frankreichs dem
preußischen Hofe übergeben ward, ein stotterndes, jammervolles Machwerk,
das beweisen zu wollen schien, daß dem Kaiserreich, nachdem ihm seit lange
die Gedanken ausgegangen, nun auch die Worte abhanden gekommen seien.
Der Krieg ward erklärt, nicht weil Preußen Frankreich beleidigt, sondern