Der deutsch-frautösische Nrieg. 527
seines Parlaments war der Größe des Augenblickes würdig. MWährend
Paris von dem NRufe „à Berlin! vive, laguerrc!“ widerhallte und aus
allen. Departements die Präfekten von lärmenden patriotischen Kundgebun-
gen meldeten, die sich bald in zeiner pöbelhaften Deutschenhetze entluden,
thaten die Regierenden und die Vertreter des Nordbundes ohne Phrase
ihre Schuldigkcit. Zum ersten Male konnte ein König von Preußen spre-
chen und fordern im Namen der ganzen Nation. Das Wort der Lage
sprach die Thronrede in den schlichten Worten unübertrefflich aus: „Hat
Deutschland Vergewaltigungen seines Rechts und seiner Ehre in früheren
Jahrhunderten schweigend extragen, so ertrug es sie nur, weil es in seiner
Zerrissenheit nicht wußte, wie stark es war; heute, wo das Band geistiger
und rechtlicher Einigung, das die Befreiungskriege zu knüpfen begannen,
die deutschen Stämme je länger desto inniger verbindet zeheute, wo Deutsch-
lands Rüstung dem Feinde keine Oeffnung mehr bietet, trägt Deutschland
in sich den. Willen und die Kraft zur Abwehr: erneuter französischer.
Gewaltthat.“ .-
Denm Kampf der Waffen ging voran ein Federkrieg der Diplomaten.
Sein Ergebniß war die Selbstvernichtung der auswärtigen Politik des
Kaiserreichs und die glänzende Ehrenrettung der Staatskunst des Grafen
Bismarck. Das preußische Rundschreiben vom 29. Juli war eine gewon-
nene Hauptschlacht, so entscheidend, wie sie niemals durch diplomatische Ent-
hüllungen geliefert worden war. „Auch wir können mit Enthüllungen.
aufwarten“ drohte Gramont, als das kaiserliche Regime sich krümmte un-
ter der Wucht dieser Anklagen. Was er bringen wollte, ist heute noch
sein Geheimniß. Er hatte eben Nichts zu enthüllen.
„Die Schamröthe ist mir ins Gesicht gestiegen, als ich diese Depe-
schen las“, sagte Ollivier über die Eindrücke, die die kurze Zwischenver-
waltung des auswärtigen Amts bei ihm hinterlassen. Wir müssen ihm
Recht geben, wenn auch nicht in seinem Sinne. Aus seinen Aktenstücken
ergab, sich, daß der Kaiser seit Jahren nicht vor Europa, wohl aber vor
dem Grafen Bismarck „auf den Knieen lag“, den er nach und nach an-
bettelte 1) um Belgien, 2) um Luxemburg, 3) um einen Fetzen der Rhein-
probinz, 4) um Mainz und Rheinhessen, 5) um die Rheinpfalz und dem
er anbot 1) 1866 ein Bündniß gegen Oesterreich mit 300,000 Bajonnetten,
die er nicht hatte, 2) nachher die Erlaubniß zu einem Bunde mit Süd-
deutschland, bei dem die Souverainetät der Höfe nicht Noth litt, d. h.
Etwas, was seit den Augustverträgen bereits bewerkstelligt war. Und diese