552 Kebersicht der Ereignisse des Jahres 1870.
49. Mai am 30. August durch Sa da Bandeira, der am 30. Oktober
durch den Bischof v. Visen ersetzt. Bleibend in all dem Wechsel von
Ministern und Kammern war nur die schreckliche Zerrüttung der Finanzen
und die gänzliche Lähmung der Staatsgewalt.
Die schweizerische Eidgenossenschaft ward vom Jahr 1870
unter all den zersetzenden Nachwirkungen angetroffen, die der eben errun-
gene bedeutsame Sieg des Radicalismus in Zürich, Bern, Solothurn,
Thurgau, Aargau u. s. w., in dieser ganzen buntgestalteten Welt canto-
naler, nationaler, religiöser Gegensätze zur Folge haben mußte. Die Stel-
lung der Schweiz zu den europäischen Mächten blieb von den auf die.
Dauer unvermeidlichen Nachtheilen dieser Belvegung einstweilen noch eben.
so unberührt, als das Wesen der Gesammtverfassung des Bundes. Die
Vorschläge, welche der Bundesrath am 2. Juni den beiden Räthen über
eine Revision der Bundesverfassung unterbreitete, nahmen von einer Ein-
führung des Referendums, oder auch nur des Veto in dieselbe noch völlig
Umgang: die Grundlagen des Bundes blieben mithin unversehrt, dagegen
waren manche Bürgschaften innerer Freiheit neu aufgenommen, die an sich
jede Anerkennung verdienten, deren praktischer Werth aber freilich, überall-
beschränkt wie sie sind durch das Mißverhältniß zwischen der Macht der
Centralgewalt und der Selbständigkeit der Kantone, nicht allzu hoch ange-
schlagen werden konnte. In einer sehr wichtigen Frage des internationalen
Verkehrs, die in und außer der Schweiz viel Staub aufgewirbelt und in
mehreren Kantonen heftige Agitationen hervorgerufen hatte, traf der Bun-
desrath gleichfalls eine Entscheidung, die seiner von Kantönliüinteressen nicht
beirrten Staatsklugheit Ehre machte, das war die Angelegenheit der
Gotthardbahn.
Am 25. Maihhatte der norddeutsche Reichstag eine Vorlage zum Beschluß
erhoben, wonach die Gesammtheit der norddeutschen Regierungen sich ver-
pflichtete, zum Bau einer über den St. Gotthard nach Italien führenden
Eisenbahn eine Subvention von 20 Mill. Franken zu zahlen. Es han-
delte sich um ein höchst wichtiges Interesse der beiden Nationalstaaten
diesseits und jenseits der Alpen, die durch die Natur der Dinge auf
gegenseitige Unterstützung angewiesen sind und bleiben werden, trotz
aller Verblendung und Thorheitl höfischer Nänke: „Es müssen, sagte
Graf Bismarck, sehr wichtige politische Interessen empfohlen haben,
zwischen Deutschland und Italien eine Verbindung zu schaffen, die ledig-
lich von dem neutralen Zwischenlande, der Schweiz, abhängig und nicht