Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

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im Besitze einer der großen europäischen Mächte sich befindet, wenn sie 
jetzt zu dem meiner Erinnerung nach noch nie vorgekommenen Wunsche 
führen, Ihnen eine erhebliche Geldausgabe für eine außerhalb des nord- 
deutschen Bundes nicht nur, sondern außerhalb Deutschlands zu bauende 
Eisenbahn zuzumuthen.“ — „Eine Untersuchung, ob Splügen oder Gotthard, 
liegt ganz außerhalb des Interesses, welches Deutschland und namentlich 
Norddeutschland an der Sache hat. Unser Hauptinteresse ist eine fast 
directe Verbindung mit dem befreundeten und wie wir glauben, auf die 
Dauer befreundeten Italien zu haben.“" Wohin diese Worte zielten, war 
leicht zu errathen; es wurde dem blödesten Auge offenbar, als die Offi- 
ciösen in Paris das landesübliche Geheul anstimmten über die Bedrohung 
Frankreichs und am 20. Juni gar der Abgeordnete Mony im gesetzgeben- 
den Körper anfragte, ob durch diese Linie nicht, die „Achse des europäischen 
Handels“ und damit wohl auch die des Gleichgewichts der Mächte verlegt 
werde, eine Frage, auf die der Herzog v. Gramont eine unerwartet ver- 
ständige Antwort gab 
An demselben 20. Juni hatte bereits der Bundesrath das Abkom= 
men mit dem norddeutschen Bunde geschlossen und als er das that, bewie- 
sen, daß der übereinstimmende Vortheil Deutschlands und Italiens der Vor- 
theil Aller sei, weil er eben in der Natur der Sache liege. Sympathien 
für Deutschland hatten dabei nicht mitgespielt. Die gibt es in der Schweiz 
nicht, wohl aber sehr starke für Frankreich, die kein Mensch je verhehlt. 
Inzwischen ging durch die Kantone eine politische und kirchliche Bewegung, 
die das ganze Jahr ungeschwächt fortdauerte und an zwei Stellen zu förm- 
lichen Zerwürfnissen mit dem Bundesrath führte. Während in Zürich der 
Ausbau des neuen Volksstaates mit directer Gesetzgebung sich vollendet 
und an andern Orten dem Beispiel nachgeeifert wird, bricht zunächst im 
Kanton Freiburg ein Conflikt aus, der sich bald in noch ernsterer Weise im 
Kanton Tessin wiederholt, und in keinem von beiden Fällen findet die 
Bundesgewalt einen versöhnenden Ausgleich. 
Nachdem der Bundesrath gegenüber den Jesuitenmissionen im Kan- 
ton Freiburg mittels Rundschreiben vom 15. April an den Art. 58 der Ver- 
fassung, der den Jesuitenorden aus der Schweiz verbannt, erfolglos gemahnt 
hat, verlangt der protestantische Bezirk Murten seine Abtrennung von dem 
durch die Ultramontanen regierten Kanton. Eine Volksversammlung auf 
Berner Boden spricht den Murtenern ihre Sympathieen aus, die Gährung 
unter den Protestanten steigt, eine Proclamation des Staatsraths zu Frei-
	        
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