Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

Preußen und der norddeutsche Vund. 49 
kommen können. Die Rede Lasker's hat aber dies „möglichst ungesäumt“ 
meiner Ueberzeugung nach vollständig eliminirt. Ich bedaure die Tendenz, 
die mit dem Antrage kund gegeben wird, aus zwei Gründen. Einmal, weil 
sie mir von Neuem den Beweis liefert, wie schwer es ist für große parlamen- 
tarische Versammlungen, dasjenige Maß von Selbstbeschränkung im eigen- 
mächtigen Hineingreifen in die auswärtige Politik einzuhalten, welches allein 
die Exekutivmacht befähigt, in Anlehnung an das Parlament ihre Ziele zu 
erreichen. Auf die Weise, daß hier ein solcher Antrag eingebracht wird ohne 
vorhergehende Verabredung mit mir, können wir keine gemeinsame Politik 
treiben, auf diese Weise wird mir die Stütze, die Sie mir in Aussicht stellen, 
ein Gegenstand des Bedauerns, und zwar um so mehr, als ich mich nicht 
von der Besorgniß losmachen kann, daß dieser Antrag allerdings im Auf- 
trage, aber nicht in meinem gestellt ist. Hr. Lasker bekundete so starke Be- 
ziehungen zur badischen Negierung, wie sie mir nicht eigenthümlich sind. Er 
weiß nicht nur über ihre Intentionen Bescheid, sondern machte sich auch an- 
heischig, das etwa fehlende „Amtliche" sofort zu beschaffen. Mir wurde da- 
durch nur der Eindruck verschärft, daß er mehr im Interesse der badischen als 
der diesseitigen Regierung sprach, ja daß aus seinen Worten eine gewisse Mü- 
digkeit der badischen Regierung hervorklang, die Opfer weiter zu bringen, eine 
Müdigkeit, an die ich kaum glauben möchte. Wenn nun von meiner Seite 
eine Antwort erfolgt, die für die badische Regierung kein Räthsel ist, und 
wenn die badische Negierung das Bedürfniß gehabt hätte, dies Räthsel nicht 
für sich, sondern für das Publikum gelöst zu sehen, dann müßte ich aller- 
dings bedauern, daß es dazu eines solchen Vorganges hier bedurfte. Die Hal- 
tung der badischen Regierung, ihre Hingebung an die nationalen Zwecke hier 
zu rühmen, haben wir kein Bedürfniß. Käme es darauf an, der badischen 
Regierung dieses Zeugniß von der competentesten deutsch-nationalen Versamm- 
lung ausstellen zu lassen, so unterschriebe ich den Antrag, und würden die ver- 
bündeten Regierungen und ihr Präsidium demselben aus vollem Herzen bei- 
stimmen. Aber der Nedner ging weiter. Er verwandelte den Antrag in ein 
Mißtrauensvotum gegen die bisherige auswärtige Politik des Bundes. Das 
Präsidium soll gedrängt werden, von seiner Befugniß, die ihm durch § 79 
der Verfassung ertheilt wird, Gebrauch zu machen; die dazu nothwendige Grund- 
lage sei in wenigen Wochen zu beschaffen. Ich erwidere ihm: ich wünsche sie 
nicht. Das Näthsel, das zu lösen ist, ist für die badische Regierung längst 
gelöst. Wünscht man den Eintritt Badens, so kann Niemand von uns den- 
selben als einen definitiven Abschluß der deutschen Frage betrachten, sondern 
nur als das Mittel, zwischen Norddeutschland und dem gesammten Süden 
Deutschlands diejenige engere Vereinigung herbeizuführen, die wir Alle erstre- 
ben, in welcher Form es auch sei, die ich aber dahin definiren möchte, daß 
wir die gemeinsamen Institutionen, über die wir uns in aller Freiwilligkeit 
einigen, ohne Drohung, ohne Pression herbeiführen. Der verstimmte, ge- 
zwungene Bayer in der engsten Genossenschaft kann mir nichts helfen, und ich 
würde einem Zwange vorziehen, lieber noch ein Menschenalter zu warten. Es 
fragt sich, an welcher Stelle ist Baden, der einzige offizielle Träger des na- 
tionalen Gedankens unter den vier süddeutschen Staaten, der nationalen Einigung 
förderlicher, als Bestandtheil des Bundes oder als selbständiger Staat? Ich 
bin überzeugt, wenn Baden in seiner nationalen Pflege durch seine Regierung, 
durch seine Volksvertretung, ja durch die Majorität seines Volkes wie bisher 
fortfährt, daß es dann der Verwirklichung des nationalen Gedankens als ein- 
zelner Staat im Süden nützlicher ist, wie als ein Theil des Bundes. Ver- 
gegenwärtigen Sie sich die Frage doch einmal in Bezug auf Bayern; wenn 
wir mit Bayern zu thun hätten lediglich in der Zusammensetzung, wie sie 
Altbayern, Ober= und Niederbayern und Oberpfalz darstellt, wäre da nicht 
die Hoffnung, daß wir je mit Bayern zu einer befriedigenden Einigung kommen 
könnten, eine viel weiter hinauszurückende — ganz würde ich sie nie aufgeben 
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