Preußen und der norddeutsche Pund. 51
Bezug auf Süddeuilschland nicht ein kostbares Stück nationaler Einheit erreicht?
Ich kann dreist behaupten: übt nicht das Präsidium des norddeutschen Bundes
in Süddeutschland ein Stück kaiserlicher Gewalt, wie es seit 500 Jahren unter
der Herrschaft der deutschen Kaiser nicht der Fall gewesen ist? Wo ist seit der
Zeit der ersten Hohenstaufen ein unbestrittener Oberbefehl im Kriege und eine
wirthschaftliche Einheit in den deutschen Landen gewesen? Unterschätzen Sie
das nicht, sondern genießen Sie einen Augenblick froh, was Ihnen beschieden
ist. (Heiterkeit.) Was die badische Kriegscontribution betrifft, so hat Niemand
etwas darin gefunden, daß Sachsen, dessen Bevölkerung sicher in ihrer Mehr-
heit gegen einen Krieg mit uns gestimmt war, mit einer Contribution belegt
wurde; aus denselben Gründen hat der König der Contribution, die Baden
auferlegt wurde, zugestimmt. Wir wollten nicht strafen, sondern erreichen,
was national richtig und nützlich schien. Hr. Lasker sieht in der Aufnahme
Badens den Anfang der Vollendung des Bundes; ich sehe darin nicht bloß
einen Anfang der Hemmung, sondern einen ziemlich dauernden Hemmschuh
des Weiterarbeitens. Ich kann nur dringend bitten, daß Sie der gegenwär-
tigen Leitung der auswärtigen Angelegenheiten des Bundes, der Sie nament-
lich beim Zustandekommen der Verfassung Vertrauen, mitunter in einer mich
beschämenden Weise, bekundet haben, dieses Vertrauen nicht dadurch beweisen,
daß Sie den Antrag annehmen. Ich würde das als ein Zeichen des Miß-
trauens ansehen. Miquel: Der Antrag hat bereits einen sehr bedeuten-
den Erfolg gehabt: die Erklärung des Bundeskanzlers, daß er keinen ein-
zelnen süddeutschen Staat in den Bund aufnehmen will, wenn er nicht ganz
Süddeutschland haben kann. (Nein! Nein!) So habe ich es wenigstens ver-
standen. Diese Erklärung muß in ganz Süddeutschland unsere Freunde ent-
muthigen und unsere Gegner mit Zuversicht erfüllen. Diese Erklärung heißt
die Lösung der deutschen Frage ad graecas calendas vertagen. In dieser
Frage darf man aber nicht stille stehen; je entschlossener wir sind, desto ent-
muthigter wird die ultramontane Partei in Süddeutschland werden. Der
Bundeskanzler spricht vom Zollverein; nun, ich erkläre ganz bestimmt, daß
ich und meine Freunde längst entschlossen sind, den Zollverein nur mit
denjenigen süddeutschen Staaten zu erneuern, welche bei dieser Gelegenheit in
den deutschen Bund eintreten. Wir haben in unserm Antrage dem
Bundeskanzler kein Mißtrauensvotum aussprechen, sondern nur unserer Ueber-
zeugung Ausdruck geben wollen in Bezug auf das, was in Betreff Badens
geschehen müsse; und ich glaube, daß der Neichstag dem wird zustimmen
müssen. Es gibt in Preußen allerdings auch eine zahlreiche Partei, welche
mit den erreichten Erfolgen zufrieden ist, am Main stehen bleiben und von
Süddeutschland überhaupt nichts wissen will; aber eben deshalb ist es die
Pflicht des Reichstages, zu sprechen, sonst ermuthigt man die Bestrebungen
dieser patriotischen Partei in Bayern. Unter allen Umständen aber muß volle
Klarheit werden über die Lage, damit das deutsche Volk wisse, woran es ist.
Die Politik Preußens muß sich richten nach dem Geiste der Nation, und sie
wird das schließlich auch in der vorliegenden Frage. Graf Bismarck: Was
versteht der Vorredner unter Volkspolitik! Etwa die Politik, die uns 1866
mit Adressen bestürmte, diesen Krieg nicht zu führen? (Sehr gutl rechts.)
Wir haben auf diese Politik nicht gehört und haben bessere Volkspolitik ge-
trieben. (Zustimmung rechis.) Ich bin halb und halb in der Ansicht hieher
gekommen, mich dem Ansinnen, daß ich mich hier öffentlich über Fragen eu-
ropäischer Politik aussprechen soll, zu widersetzen; aber man zwingt mich, zu
sprechen, wenn ich nicht allen Mißdeutungen ausgesetzt sein will. Sie meinen,
Sie verstünden die auswärtige Politik besser als ich; ich aber meine, ich ver-
stehe sie besser als Sie, und solange ich Bundeskanzler bin, muß ich die aus-
wärtige Politik eben nach meiner Vorstellung leiten. (Zustimmung rechts.)
Ich habe kein Wort davon gesagt, daß ich keinen einzelnen süddeutschen Staat,
sondern nur ganz Süddeutschland auf einmal in den Bund aufnehmen wolle.
4*