Die Ssterreichischungarische Menarchie (Dez. 15—22.) 249
Erzbischof von Wien ernannt. Der Gewählte ist jedoch in Rom nicht
völlig persona grata. Die Veröffentlichung der Ernennung zieht sich
daher noch bis in den Januar 1876 hinaus.
15. Dezember. (Oesterreich.) Abg.-Haus: genehmigt das
Budget für 1876. Das Deficit, das von der Regierung nur zu 24
Millionen angegeben wurde, beträgt in Wahrheit ca. 60 Millionen,
da für die Eisenbahnsubventionen ca. 5 Millionen mehr haben ein-
gestellt werden müssen, ferner unter den Einnahmen 18 Millionen
aufgeführt sind, die nichts als Einnahmen aus Rentenemissionen sind
und das Gesammterforderniß für Eisenbahnbauten auch über 11
Millionen beträgt. Die Finangzlage ist also in der That eine nichts
weniger als befriedigende.
18. Dezember. (Ungarn.) Unterhaus: Der Ministerpräsident
Tisza spricht sich in Antwort auf eine Interpellation Simonys be-
züglich der orientalischen Frage sehr scharf gegen allfällige Inter-
ventions= und Annexionsgelüste Oesterreichs dahin aus, daß
eso lange das gegenwärtige Ministerium an seinem Platze ist, es nicht
vorkommen wird, daß man über ösierreichisch-ungarische Truppen verfüge,
ohne vorher die ungarische Regierung befragt zu haben". (Lebhafte Zu-
stimmung.)
20. Dezember. (Oesterreich.) Herrenhaus: lehnt den vom
Abg.-Hause angenommenen Antrag Wildauer seinerseits mit 3.11 gegen
34 Stimmen ab.
21. Dezember. (Cesterreich-Ungarn.) Der Kaiser erläßt
ein neues Avancementsgesetz und eine Verordnung über die Reorga-
nisation des Generalstabs. Das erste soll den Klagen der Armee
über allzugroße Begünstigung der „Intelligenz“ bei Beförderungen
abhelfen, die lehztere aber bezweckt offenbar, dem Erzherzog Albrecht
wieder einen größeren Einfluß neben dem Kriegsminister zu ver-
schaffen.
21. Dezember. (Oesterreich.) Herrenhaus: nimmt das Budget
für 1876 ohne Debatte nach den Beschlüssen des Abg.-Hauses an.
22. Degember. (Oesterreich.) Die Regierung gestattet end-
lich trotz der Opposition des tyrolischen Landtags die förmliche Er-
richtung protestantischer Gemeinden in Innsbruck und Meran. Die
tyrolische Glaubenseinheit ist damit entschieden durchbrochen. „Reichs-
recht bricht Landesrecht.“ Die Ultramontanen speien Feuer und Flam-
men über den Schritt des Ministeriums.