Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

Frankreich. (Dez. 9— 11.) 381 
lebhaft dagegen, als Candidaten der Republikaner zu sigurtren; die Orlea- 
nisten begrüßten die abirüngigen Chevaulegers mit Lärm und Geschrei; doch 
mit einer unnachahmlichen Bewegung des R rief der greise Herr de la 
Rochelte, einer der treuesten Anhänger Henri's V., den Orlranisten zu: „Je 
vouas counais, Messieurs! Vous ue me suites has prur! Tie Männer der 
äußersten Rechten biellen ihr Wort; 17 Milglieder der Linken hatten die 
Mehrheit; die Herren der Linken schienen es weniger ernst mit dem getroffenen 
Engagement genommen zu haben, denn von ihren Alliirten hatle leiner die 
erforderliche Anzahl Stimmen. Aber beim Verlesen des Serutiniums tönten 
von allen Seiten die Rufe der Linken: „Wartet morgen ab! Wir halten 
morgen unser Wort!“ Und alle Journale der Linken, „Rep. Frangaise“ 
an der Spihee, erklären es für eine Ehrenpflicht, nunmehr auch die Fondidalen 
der äußersien Rechlen zu wählen. 
Die Niederlage der Orleanisten begegnet von allen Seilen nur sehr 
geringem Mitleid. Tas Verfahren des rechten Centrums war so treulos und 
so wenig ehrenhaft, daß selbst das „J. des Debato“, welches immer noch auf 
die Mölichseit eines Iusaommenaltens zwischen dem linlen und rechlen Gen- 
trum gerrchnet halte, schreibt: „Wir müßten einen wahrhaft bis zum Helden- 
muth mitleidigen Sinn besiten, wenn wir das Unglück einer Partei beklage 
ktönnten. welche nun in die Grube gefallen ist, welche sie für uns gegraben 
hatle. Es ist nicht das erstemal, daß das rechte Centrum ein solches Ma- 
növer versucht hat; aber es ist das erstemal, daß dasfelbe zu seinem Ver- 
derben ausschlug. Bisher häile es, ohne diese Lehre zum Schlusse, glauben 
können, und ebenso das Land, daß die parlamentarischen Geschicklichkeiten es 
der Slrenge der Grundsätze und der Aufrichtigkeit abgewinnen. Seit dem 
Zusammentritt in Bordecaux haben wir nichts versäumt, das rechte Centrum 
von seinem gesährüichen Weg abzubringen; maon weiß, mit welcher eines 
besseren Dankes würdigen Beharrlichleit wir die Bildung einer Mehrheit 
aus den beiden Centren verfolgt haben, welche allen gemäßigten Männern 
offen und nur den ertremen Parteien und den Bonapartisten verschlossen 
wäre. Mehreremale glaubten wir auch, das so heiß ersehnte Ziel zu er- 
reichen; wir hatten uns mit dem rechten Centrum offen verbunden; es schien 
ein gemeinsomes Programm anzunehmen; es hatte mit uns das Gesetz Rivet 
und die Conslikution Wallon votirt; den andern Morgen nach diesem Tagen 
der Hoffnung und herzlichen Einvernehmens finden wir unsere Alliirten mit 
unseren schlimmsten Feinden verbunden. um das Werk des vorherigen Tages 
umzustürzen. Die Donaportisten haben unseren Pla in der Mehrheit ein- 
genommen, zu der wir nicht sollten gehören dürfen, ohne unsere Ueberzen- 
gungen und ohne unsere Vergangenheit abzuschwören So wurden wir all- 
mälig dahin geführt, eine Partei zu verlassen, über welche man sich keine 
Täuschungen mehr machen konnte, welche von den großen parlamentarischen 
Traditionen, für deren einzige Erbin sie sich hält, nur die Kunst gefährlicher 
Coalitionen gerettet hatte, und welcher keine Bestimmtheit in den Gesichts- 
punkten, keine Festigkeit in der Haltung mehr geblieben war. Heut empfängt 
das rechte Centrum den Lohn für seine übelberathenen Ungeschicklichkeiten.“ 
Hr. Buffet denkt einen Augenblick daran, seine Entlassung zu 
nehmen und einem Cabinet Audriffet--Pasquier oder Lcon Renault 
Plaß zu machen, besinnt sich aber alsbald eines andern und be- 
schließt, am Ruder zu bleiben, dagegen seine Candidatur (an der 
Spitze der Liste der Rechten) offen zurückzuziehen. 
ll. Dezember. Nat.-Versammlung: Der Legitimist de la Ro-
	        
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