Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

574 Uebersicht der pelltischen Eulwichelung des Jahres 1875. 
tritt auf französischen Boden gezwungen, wo er entwaffnet ward und 
von wo er sich nach England begab. Dem Bürgerkrieg war damit 
ein Ende gemacht und die erste Bedingung erfüllt, um Spanien wie- 
der aufgurichten. 
Spanien Die Niederlage des Don Carlos war aber nicht nur ein 
n Schlag für diesen, sondern auch für den unfehlbaren Papst in Rom, 
der seit dem vaticanischen Concil als die Seele aller reactionären 
Tendenzen in ganz Europa angesehen werden muß und als dessen 
Kämpen Don Carlos sich namentlich auch betrachtet hatte. Doch 
konnte sich Rom darüber einigermaßen trösten, da inzwischen auch 
die neue Madrider Regierung die engsten Beziehungen zu der römi- 
schen Curie gesucht hatte, um durch sie die Bischöfe und die clericale 
Partei Spaniens für sich zu gewinnen. Die in den letzten Jahren 
auf ein Minimum herabgesetzte Summe für den Unterhalt der Bi- 
schöfe und des Clerus wurde mit einem Schlage aufs Zehnfache er- 
höht, eine Anzahl kaum entstandener protestantischer Bethäuser und 
Schulen wurden in Madrid und in den Provinzen auf Befehl der 
Regierung geschlossen, die Freiheit des Unterrichts den Universi- 
täten entzogen und wieder den Bischöfen unterstellt; die Madrider 
Regierung ließ sogar in Rom erklären, daß sie bereit sei, das Con- 
cordat von 1851, vielleicht mit einigen geringen Modificationen, 
vollständig wieder hergustellen. Der Paypst schickte mit Vergnügen 
einen Nuntius nach Madrid, um seine und der römischen Kirche 
Interessen zu wahren. Aber in seinen letzten Absichten sah er sich 
doch getäuscht. Der junge König war zwar ganz bereit, Rom und 
der römischen Curie möglichst entgegenzukommen, aber sich ihr als 
willenloses Werkzeug zu Füßen zu legen, wie es Rom erwartet 
hatte, dazu konnte er sich doch nicht entschließen, hatte ihm doch der 
ultramontane Eifer seiner moderatistischen Minister die anfänglichen 
Sympathieen Europas schon merklich entfremdet und die Hoffnungen 
auf ihn bereits erheblich herabgestimmt. Als daher der Papst die 
Wiederherstellung der sog. kath. Glaubenseinheit und die Wieder- 
abschaffung der seit 1869 auch in Spanien anerkannten Glaubens- 
freiheit verlangte, verweigerte dieß die Regierung und blieb auf 
dieser ihrer Weigerung fest bestehen. Um die Mitte des Jahres er- 
klärte sich die Regierung auch für die Wiederherstellung einer Ver- 
fassung und die Einberufung von Cortes. Zu diesem Ende hin trat 
eine Notabelnversammlung zusammen, welche sie vorbereitete und, 
einen der hauptsächlichsten Streitpunkte, schließlich auch die Aufrecht-
	        
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