588 Uebersicht der polilischen Enlwichelung des Dahtes 1875.
deutiger Weise die Erklärung zugehen ließ, daß für den Fall eines
Zusammenbruchs der Türkei sein Entschluß gefaßt sei: sich unter
allen Umständen den Seeweg nach Oslindien zu sichern, nöthigenfalls
seine Hand über Aegypten zu schlagen.
Tie Für den Augenblick ging England nicht weiter. In den letzten
wirnte- Tagen des Jahres 1875 gab es sogar nach der von den drei Kaiser-
Frage. mächten beschlossenen Andrassyschen Note an die Pforte mit ihren
genau formulirten Forderungen zur Pacification der Herzegowina
und Bosniens seine Zustimmung und unterstützte dieselbe durch
seinen Gesandten in Konslantinopel. Die finanziell und politisch
bedrängte und sich sichtlich immer schwieriger gestaltende Lage der
Pforte hatte jedoch offenbar sein Mißtrauen gegen Rußland nach
dieser Seite im höchsten Grade wach gerusen. In Asien war das
ohnehin der Fall, da Rußland dort durch seine Fortschritte in Tur-
kestan, indem es ein turkestanisches Chanat nach dem andern theils
mittelbar theils unmittelbar seinem Einfluß und seiner Herrschaft
unterwarf und so nicht nur Persien, sondern auch Asghanistan und
damit dem ostindischen Reiche Englands immer näher rückte. England
war nicht in der Lage, dieß zu verhindern und mußte nothgedrungen
dazu schweigen. Bezüglich der Pforte lagen dagegen die Dinge
anders. Sobald daher im Mai 1876 die Berliner Conferenz der
drei Kaisermächte gegenüber der Pforte noch einen Schritt weiter
ging und Rußland statt Oesterreich die Vertretung derselben über-
nahm, hielt England es an der Zeit, Rußland einen deutlichen Wink
zu geben, daß es vorerst der Türkei noch nicht zu nahe treten lasse
und daß es jedenfalls ein wachsames Auge auf den Bosporus halte.
Es verweigerte demnach dem russischen Memorandum der drei Kaiser-
mächte seine Zustimmung und schickte eine starke Flotte in die Nähe
Konstantinopels, als ob ein Handstreich Rußlands gegen dieses vom
schwarzen Meere aus zu fürchten wäre. England machte sich da-
durch mit einem Schritt zum Mittelpunkte aller antirussischen und
türkenfreundlichen Bestrebungen in Europa. Die drei Kaisermächte
kamen für den Augenblick offenbar in eine ziemlich schwierige Lage.
Die gleich darauf solgende gewaltsame Entthronung des Sultaus und
das Emporkommen einer neuen Regierung in der Türkei, welche die
weitest gehenden Reformen für Muhamedaner und Rajahs auf ihre
Fahne schrieb, befreite sie wieder daraus. Es wurde von ihnen be-
schlossen, das russische Memorandum der vollständig neuen Sachlage
gegenüber vorerst ad acta zu legen und der Pforte Zeit und freie