Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

58 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 10.) 
Protest fährt sodann wörtlich fort: „Dies ist aber keine neue Lehre, sondern 
eine stets anerkannte Wahrheit des katholischen Glaubens und ein bekannter 
Grundsaß des canonischen Rechts, eine Lehre, welche das vatikanische Concil 
gegenüber den Irrthümern der Gallicaner, Jansenisten und Febronianer im 
Anschluße an die Aussprüche der frühern allgemeinen Concilien neuerdings 
erklärt und bestätigt hat. Nach dieser Lehre der katholischen Kirche ist der 
Papst Bischof von Rom, nicht Bischof irgend einer anderen Stadt oder Diöcese, 
nicht Bischof von Köln oder Breslau u. s. w. Aber als Bischof von Rom 
ist er zugleich Papst, d. h. Hirt und Oberhaupt der ganzen Kirche, Ober- 
haupt aller Bischof und aller Gläubigen, und seine päpstliche Gewalt lebt 
nicht etwa in bestimmten Ausnahmefällen erst auf, sondern sie hat immer 
und allezeit und überall Geltung und Kraft. In dieser seiner Stellung hat 
der Papst darüber zu wachen, daß jeder Bischof im ganzen Umfange seines 
Amtes seine Pflicht erfülle, und wo ein Bischof behindert ist oder eine ander- 
weitige Nothwendigkeit es erfordert, da hat der Papst das Recht und die 
Pflicht, nicht als Bischof der betreffenden Diöcese, sondern als Papst, Alles 
in derselben anzuordnen, was zur Verwaltung derselben gehört. Diese päpst- 
lichen Rechte haben alle Staaten Europas bis auf die gegenwärtige Zeit stets 
als zum Systeme der katholischen Kirche gehörend anerkannt und in ihren 
Verhandlungen mit dem päpstlichen Stuhle den Inhaber desselben immer 
als das wirkliche Oberhaupt der ganzen katholischen Kirche, der Bischöfe so- 
wohl als der Gläubigen, und keineswegs als den bloßen Träger einiger be- 
stimmter Reservatrechte betrachtet.“ Weiter heißt es: „Was insbesondere die 
Behauptung betrifft, die Bischöfe seien durch die vaticanischen Beschlüsse päpst- 
liche Beamte ohne eigene Verantwortlichkeit geworden, so können wir dieselbe 
nur mit aller Entschiedenheit zurückweisen: es ist wahrlich nicht die katholiche 
Kirche, in welcher der unsittliche und despotische Grundsatz; der Befehl des 
Obern entbinde unbedingt von der eigenen Verantwortlichkeit. Aufnahme ge- 
funden hat. Die Ansicht endlich als sei der Papst "vermöge seiner Unfehl- 
barkeit ein vollkommen absoluter Souverän“, beruht auf einem durchaus 
irrigen Begriff von dem Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit. Wie das vati- 
canische Concil es mit klaren und deutlichen Worten ausgesprochen hat und 
die Natur der Sache von selbst ergibt, bezieht sich dieselbe lediglich auf eine 
Eigenschaft des höchsten päpstlichen Lehramtes: dieses erstreckt sich genau auf 
dasselbe Gebiet, wie das unfehlbare Lehramt der Kirche überhaupt und ist an den 
Inhalt der Heiligen Schrift und der Ueberlieferungen, sowie an die bereits von 
dem kirchlichen Lehramt gegebenen Lehr-Entscheidungen gebunden. Hinsichtlich 
der Regierungshandlungen des Papstes ist dadurch nicht das Mindeste geändert 
worden. Wenn diesem nach die Meinung, es sei die Stellung des Papstes 
zum Episcopat durch die vaticanischen Beschlüsse alterirt worden, als eine 
völlig unbegründete erscheint, so verliert eben damit auch die aus jener Vor- 
aussetzung hergeleitete Folgerung, daß die Stellung des Papstes den Regie- 
rungen gegenüber durch jene Beschlüsse verändert sei, allen Grund und Boden. 
Als rechtmäßige Vertreter der katholischen Kirche in den unserer Leitung an- 
vertrauten Diöcesen haben wir das Recht, zu verlangen. daß, wenn es sich 
um die Beurtheilung von Grundsätzen und Lehren unserer Kirche handelt, 
man uns höre; und so lange wir nach diesen Lehren und Grundsätzen unsere 
Handlungen einrichten, dürfen wir erwarten, daß man uns Glauben schenke." 
Zum Schlusse endlich erklären die dreiundzwanzig Unterzeichneten, unter denen 
auch die Bisthumsverweser von Fulda und Bamberg und seltsamerweise auch 
der abgesetzte Dr. Conrad Martin von Paderborn siguriren: „Wir fühlen 
uns verpflichtet, gegen den damit versuchten Angriff auf die volle Freiheit und 
Unabhängigkeit der Wahl des Oberhauptes der katholischen Kirche laut und 
feierlich Einspruch zu erheben, indem wir zugleich bemerken, daß über die Giltig
	        
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