Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 18—19.) 79
Feinde die Mittel zum Aufruhr zu bewilligen; es ist eine Anstandspflicht
des Staates, diese Gelder einzuhalten, der Staat kann nicht stillschweigen und
sich mit eigenen Mitteln daran betheiligen, daß gegen ihn der Aufruhr von
einer Seite gepredigt wird, wo er am meisten im eigenen Interesse derselben
unterdrückt werden müßte. Ich sage, im eigenen Interesse; denn Sie ziehen
sich, ich will nicht sagen unter Ihnen selbst, aber an denjenigen, die wir im
Allgemeinen die Hetzkapläne nennen, eine Gesellschaft, groß, mit der Sie
nachher, wenn Sie einmal wieder in gute Zeiten kommen werden, auch Ih-
rerseits Ihre Noth haben werden. Wenn Sie außerdem fragen, was für
Erfahrungen wir davon haben, nun, meine Herren, Sie glauben den Erfolg
von Ihrem Kampfe zu haben, daß sie das kirchliche Bewußtsein, die Begei-
sterung für die Kirche im Volke stärken. Der Deutsche hat ja einmal das
Gefühl, wenn er für eine Sache, sie mag gut oder schlecht sein, eintritt,
wenn er erst einmal im Kampfe engagirt ist — die Uniform, die er trägt,
ist dann eine große Verleilung für ihn, die Sache so genau nicht zu prüfen.
Die Schläge, die er dafür austheilt oder empfängt, bilden dann für ihn eben
so viele Argumente, und insosern kann leicht eine größere Neigung zur in-
neren Geschlossenheit für alle Aufträge, die ihr von oben angegeben werden,
in der katholischen Kirche entstanden sein. Ob Sie aber dieses Ferment später
wieder beherrschen werden und können, das ist doch eine andere Frage. Alle
diese jungen, ehrgeizigen Streber, die werden ja auch größer, die wollen
später ja auch befriedigt sein, die wollen ja auch nicht immer Hetzkapläne
bleiben, die wollen ja nicht immer blos Zeitungen schreiben, die wollen ja
Bischöfe werden. (Lebhafter Beifall und Heiterkeit links.) Wir nun haben
nach dieser Seite hin, in Bezug auf die Geschlossenheit in diesem Kampfe,
auch außerordentlich gewonnen. Es ist, wie in früheren Zeiten; es lassen
sich mehrere Beispiele der Art citiren, u. A. das von Heinrich dem Vogel-
steller. Ehe er die Ungarn schlug, übte er seine, wie man behauptet, damals
gegen ihre Vorfahren im kriegerischen Sinne heruntergekommenen Untertha-
nen in allerhand Gefechten zehn Jahre lang, bis er sie gegen den eigent-
lichen Feind in den Kampf führte. Dieser Kampf ist ja für den preußischen
Staatsmann (womit ich nicht mich meine, sondern die sämmtlichen Staats-
männer, die hier versammelt sind) eine außerordentlich nützliche Schule ge-
worden, in der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit, daß der Staat einige
Hülfsmittel zu seiner Vertheidigung haben muß, daß ein starker Staat be-
stehen muß, daß alle Parteien ein Interesse haben, daß der Staat gestärkt
werde gegen die Partei, die den Staat in seinen Grundfesten. in seiner Exi-
stenz ansicht. Die Folge davon wird sein, daß wir mit der Zeit nur zwei
Parteien haben, eine, die den Staat negirt, die ihn bekämpft, und die andere,
die der patriotisch anhänglich gesinnten achtbaren Leute (Unruhe im Centrum),
womit ich keineswegs die Anderen als nicht achtbare bezeichnen will. Diese
große Partei wird sich bilden, und sie wird schließlich alle diejenigen Par-
teien umfassen, die überhaupt den Staat wollen. Es rücken ja diese Parteien
schon jetzt näher zusammen. Sind nicht die von der äußersten Rechten aus
ihrer Abgeschlossenheit entgegenkommender, ich möchte sagen, moderner gewor-
den? Und sind nicht die von der äußersten Linken, die hier vertretenen
Mitglieder der Fortschrittspartei ganz offen zu Aussprüchen gelangt, die als
concludente Handlungen beweisen, daß sie doch auch die Nothwendigkeit des
Staates anerkennen. und daß es nützlich ist, auch die Fundamente dieses
Hauses, in dem wir alle wohnen und von dessen Dach wir alle Schutz er-
warten, nicht ununterbrochen mit der Axt loszuarbeiten und den Anderen
den Schutz zu überlassen. Alle diese früheren Sünden im politischen Leben
haben vielfach einer Einkehr und Umkehr Platz gemacht, und ich wiederhole
es, durch dieses Wirken der Gegner ist die große patriotische Majorität größer