Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 18—19.) 81
schaft dem Kinde von der Taufe bis zum Grabe den hermetischen Abschluß
aller Andersdenkenden, Sie gewöhnen das Kind an die beschimpfende Behand-
lung der anderen Knaben, das Sitzen auf der Schulbank neben einem ande-
ren Knaben als ein Sakrilegium zu bezeichnen, Sie impfen dem Kinde den
Glauben ein, daß es ein Sakrileg sei, mit dem anderen Kinde ein Vaterunser
zu beten. In dieser Beziehung zerreißen Sie die Bevölkerung bis an die
Grabstätte. Sie interpretiren den einfachen Satz aus der Bibel, daß die
Schule von der Kirche beherrscht werden müße. Damit zerreißen sie das Leben
der Nation bis auf die Universitäten hinaus. Sie haben dann nur katho-
lische und lutherische Geschichte. Glücklicherweise sah der gesunde Sinn der
deutschen Nation klarer in diesen Dingen, als die heute verwirrten Theorien.
Nachdem der dreißigjährige Krieg zu Ende ging, hatte das erschöpfte deutsche
Volk wenigstens die eine Wahrheit eingesehen, die Sie heute noch läugnen,
daß auf Gottes Erdboden niemals Plaßz ist für zwei souveraine Kirchen auf
ein und derselben Scholle Landes. Das ist das ganze Resultat des dreißig-
jährigen Krieges. Diese Art von christlich-germanischem Staat gibt es also
für uns nur im Prinzip; also lassen sie uns auseinandergehen wie beim baby-
lonischen Thurmbau, wie im Jahre 1648! Dieses Stück Deutschlands ist
evangelisches Deutschland; hier beherrscht die Kirche das Volksleben bis in
die innersten Fasern, und die Katholiken mögen auswandern (Ah, ah!l im
Zentrum); dazu bekommen sie drei Jahre Zeit nach dem Westfälischen Frie-
den; oder sie mögen in ihrem Kämmerlein stille Hausandacht üben. (Große
Unruhe) Ja, m. H., das find die Grundsätze des Westfälischen Friedens,
an den Sie uns täglich erinnern; — und in der andern Hälfte Deutschlands
herrscht die katholische Kirche in gleicher Weise, da würden alle Andersgläu-
bigen auswandern müssen oder stille Hausandacht üben; — und im dritten
Theile herrschen die Reformirten. Die Geschichte Deutschlands würde mit dem
Ende des Westfälischen Friedens einen kümmerlichen Verlauf genommen haben,
wenn das deutsche Volk selbst nicht aus angeborenem Sinne für Gewissens-
freiheit und Achtung fremden Glaubens und im Bewußtsein der nothwen-
digen Zusammengehörigkeit das Normaljahr grundsätzlich überwunden hätte.
Trotz dieser dem deutschen Volke gegebenen Bedingungen, unter denen die
Nation nothwendig zerrissen werden mußte, sahen Sie den zweihundertjäh-
rigen Gang der Gesetzgebung, der die Einheit der Nation wiederherstellte, und
dies ist die Gesetzgebung des von Ihnen geschmähten cäsaropapistischen Staa-
tes. Diese Staatsgesetgebung hat erst die Theologen gezwungen, auf den
Fuß des Friedens mit der andern Theologie zu treten, sie hat auf dem Wege
des Aufsichtsrechtes und der Schirmvoigte die gemeinsamen Grundsätze der
Billigkeit für alle Consessionen gestaltet, sie hat diese Grundsätze in der Ge-
setzgebung consolidirt, sie hat dem deutschen Volk wieder ein Eherecht geschaf-
fen, sie hat dem deutschen Volke die wesentlichen Grundsätze einer einheitlichen
nationalen Erziehung wiedergegeben, und das geschah in unermüdlichem Wett-
eifer, nicht bloß von Joseph und Friedrich dem Großen, sondern aller katho-
lischer und aller evangelischer Landesherren, und m. H., der berühmtesten
christlichen Fürsten und Oberen. Das sind die Schöpfungen, die Sie beute
omnipotenten Staat und Cäsaropapismus zu neunen belieben. Das ist der
Gang unserer Gesetzgebung, kein anderer, und die Regierung läßt sich durch
die unmittelbarste Anforderung an die Gewalt bis heute nicht abhalten, und
ich hoffe, sie wird den Gang der Handhabung ihrer Majestätsrechte wirklich
majestätisch innehalten. In diesem Gange den Staat zu unterbrechen, halte
ich für ein Verderben für beide Theile, für den Staat und für die Partei,
welche diesen Gang mit Gewalt zu hemmen versucht. Nun sagen Sie, das
sei nicht Ihre Absicht, sondern Sie desancirten nur Gesetze, die gegen Gott
und gegen das Gewissen seien. Rühren Sie nicht an den Gedanken der Heiligkeit
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