92 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 8.)
lichen Anstalten und Einrichtungen den Bedürfnissen des Krankendienstes
nicht genügen, die Errichtung neuer Niederlassungen von unserem Ministerium
des Innern gestattet werden. Art. 4 Die bestehenden Niederlassungen oder
Anstalten von religiösen Orden und ordensähnlichen Congregationen stehen
unter Aufsicht des Staates. Die näheren Bestimmungen über die Ausübung
der Staatlsaufsicht werden von dem Ministerium des Innern erlassen. Aus
Gründen des öffentlichen Wohls oder wegen Ungehorsams gegen die Vor-
schriften des Gesetzes oder gegen die zur Ausführung desselben ergangenen
Anordnungen der Behörden können auch bereitls bestehende Niederlassungen
oder Anstalten von religiösen Orden oder ordensähnlichen Congregationen
auf Antrag des Ministeriums des Innern durch Beschluß des Gesammt-
Ministeriums aufgelöst und geschlossen werden. Art. 5. So weit das vor-
liegende Gesetz davon ausgeht, daß der dermalen vorhandene Zustand bestehen
bleiben soll, ist für die Entscheidung der einschlägigen Fragen über den Be-
stand der Anstalten der 1. Okt. 1874 maßgebend. Art. 6. Gegenwärtiges
Gesetz tritt sofort nach seiner Verkündigung durch das Regierungsblatt in
Kraft. Zugleich verlieren alle von demselben abweichenden, bisher gelten-
den Bestimmungen ihre Wirksamkeit.
III. Gesetz betreffend Mißbrauch der geistlichen Amtsge-
walt. Art. 1. Beschwerden über Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt
können jederzeit bei Uns oder bei Unseren Verwaltungebehörden angebracht
werden. Erscheint eine Beschwerde nach stattgehabter Ermittelung des Sach-
verhaltes begründet. worüber Unser Gesammt-Ministerium auf Antrag des
Ministeriums des Innern zu entscheiden hat, so wird zur Abstellung der-
selben das Erforderliche im Verwaltungswege angeordnet, wegen etwaiger
Bestrafung des geschehenen Amtsmißbrauchs aber die Sache dem zuständigen
Gericht übergeben. Gegen einen Mißbrauch geistlicher Amtsgewalt können
Unsere Behörden auch von Amts wegen einschreiten, sobald ein öffentliches
Interesse dieß erheischt. Art. 2. Ein Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt
liegt insbesondere dann vor, wenn die nachfolgenden Bestimmungen über die
Gränzen des Strafrechts der Kirchen= und Religionsgemeinschaften verletzt
werden. Art. 3. Keine Kirche oder Religionsgemeinschaft ist — abgesehen
von den nach Art. 5—8 zulässigen Disciplinarstrafen befugt, andere Straf-
oder Zuchtmittel anzudrohen, zu verhängen oder zu verkünden, als solche,
welche dem rein religiösen Gebiete angehören oder die Entziehung eines inner-
halb der Kirche oder Religionsgemeinschaft wirkenden Rechts oder die Aus-
schließung aus der Kirche oder Religionsgemeinschaft betreffen. Art 4.
Verhängung der nach Art. 3 zulässigen Straf= und Zuchtmittel darf nicht
öffentlich bekannt gemacht werden. Eine auf die Gemeindeglieder beschränkte
Mittheilung ist nicht ausgeschlossen. Die Vollziehung oder Verkündigung
derartiger Straf= oder Zuchtmittel darf auch nicht in einer beschimpfenden
Weise erfolgen. Art. 5. Die kirchliche Disciplinargewalt über Kirchendiener
darf nur von deutschen kirchlichen Behörden ausgeübt werden. Kirchliche
Disciplinarstrafen, welche gegen die Freiheit oder das Vermögen gerichtet
sind, dürfen nur nach Anhörung des Beschuldigten verhängt werden. Der
Entfernung aus dem Amt (Entlassung, Versetzung, Suspension, unfreiwillige
Emeritirung u.) muß ein geordnetes processualisches Verfahren vorausgehen.
In allen diesen Fällen ist die Entscheidung schriftlich unter Angabe der Gründe
zu erlassen. Art. 6. Die körperliche Züchtigung ist als kirchliche Disciplinar-
strafe oder Zuchtmittel unzulässig. Disciplinarstrafen an Geld dürfen den
Betrag von 90 Mark, oder, wenn das einmonatliche Amts-Einkommen höher
ist, den Betrag des letzteren nicht übersteigen. Eine auf Freiheits- Entziehung
gerichtete Disciplinarstrafe darf nur in der Verweisung in eine geistliche
Strafanstalt bestehen. Die Verweisung darf die Dauer von drei Monaten