110 Nes beaische Reich und seine rinzelnen Glieder. (April 30 — Mai 3.)
gehabt; der damals angestrebte Erfolg sei auch wirklich erreicht worden. Wenn
nun auch Frankreich ict nicht bestimmt werde, die titres T-acquits à caution
aufzuheben, so werde doch eine Unbilligleit ausgeglichen. Die Bedeutung der
acquits ergebe sich auch aus dem Umstande, daß ein großes Elsässer Eteblisfte
ment nach Frankreich überfiedeln wolle, um mit Hülfe der acdnits der
mischen Industrie Concurrenz zu machen. Minister Camphausen: In der
Annahme der Anträge Löwe's sei der Uebergang zur schutzöllnerifchen Be-
wegung zu erblicken, welche die Regierung nicht theilen könne. Er betrachte
die Besserstellung der untersten Volkeschichten als Hauptaufgabe des Staats-
mannes. Seine frühere Aeußerung: die deutsche Industrie werde in manchen
Punkten billiger produciren müssen, habe den jetzigen Rückschlag auf allen
Gebieten nicht berührt. Ob Schutzzoll oder Freihandel, sei in Zeiten wirth-
schaftlicher Noth stets die brennende Frage gewesen. Die Regierung thue
giner Partei zu viel, einer anderen zu wenig, wenn sie auf das wirthschaft-
1h. Nothwendige sich beschränke. Der Reichstag möge der Negierung? ect
Ich will nochmals nachdrücklich und bestimmt erklären, daß d
*6 dem Antrage Löwe, soweit er von ihrer Vorlage abweicht, 727
entgegensteht, und daß sie in der Annahme dieses Antrages Löwe einen Ueber-
gang zu einer schnhzollnerischen Tendenz finden würde, welche die Regierung
nicht theilt.“ (Hört“ lint
ür die Regierung kis die Ablehnung der Vorlage ohne Zweifel eine
empfind iche Niederlage, und es tritt neuerdings die lebhafte Besorgniß zu
Tage, daß Camphausen in nicht ferner Zeit in Folge der Lerabe für ihn so
empfindlich sich wiederholenden Frictionen den mühevollen Versuch, theilweise
veränderten Gesichtspunkten an maßgebender Stelle unter Aufrechthaltung be-
währter Grundsätze Rechnung zu tragen, schließlich doch ausgeben und dem
Beispiel Delbrücks folgen werde.
30. April. (Deutsches Reich.) Neichstag: zweite Verathung
des von den Nationalliberalen eingebrachten Initiativantrags gegen
die Forktdauer des bisherigen Zeugnißzwangs. Derselbe wird trotz
des Widerspruchs von Seite der Regierung mit großer Mehrheit an-
genommen. — Zweite Lesung des Budgets für Elsaß-Lothringen.
1.—9. Mai. (Deutsches Reich.) Der Kaiser besucht die
Reichslande, namentlich auch Straßburg und Metz, in Begleitung
des Kronprinzen und Moltke's. Obgleich offiziell nur ein Gelegen-
heitsbesuch mit vorwiegend militärischem Charakter angesagt ist, so
gestaltet er sich doch wesentlich überall zu einem förmlichen Feste.
Namentlich ist das in den Landgemeinden, die der Kaiser besucht,
der Fall; aber auch in Straßburg ist der Empfang ein durchaus
befriedigender, was in Metz weniger der Fall ist. Der Kaiser ist
über die Aufnahme, die offenbar seine Erwartung übertroffen hat,
sichtlich erfreut.
3. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: erledigt in dritter
Lesung ein Reichspatentgefet nebst Einsetzung eines deutschen Reichs-
patentamtes und außerdem eine Reihe kleinerer Gesetzesvorlagen,
worauf er durch die vom Präsidenten des Reichskanzleramts verlesene