Des beaische Reich und seine einfelnen Glieder. (Nov. 2.) 165
der neuen Justiggesetze ven 23 Mill. Mark, sodann 15 Mill. Mark für neue
Universitätebanten, Gymnasialbauten und Seminarbauten, während der Rest
von 12 Mill. Mark sich auf die übrigen Ministerien vertheilt. Die Summe
von etwa 77 Millionen hat bloß die Fortführung bereits begonnener Banten
zum Zwecke, sei 8 durch Verstärkung der Etatsrate für das neue Jahr,
sei ur Bestreitung der ferneren Raten in den folgenden Jahren. Die
Fortschrittspartei hat deshalb bereits beschlossen, alle über das Etatsjahr
hinausreichenden Bewilligungen abgulehnen, und auch die national-liberale
Partei scheint sich dahin zu neigen.
Das Haus beschließt, einen Theil des Ordinariums, das ganze
Extraordinarium und die Anlehens-Vorlage der Budgetcommission
zu überweisen und den Rest im Plenum zu berathen.
Angesichts der noch ungelösten Reichskanzlerkrisis und den groszen Ent-
scheidungen, welche mit derselben verknüpft sind, nehmen schon in dieser ersten
Sitzung die Parteien und Personen mehr oder weniger Stellung namentlich
zu der Frage der Steuerreform. Daß die Conservativen, welches auch ihr
Vorname —Alt-, Neu= oder Frei= — sein mag, mit derselben Begeisterung
die Beseitigung der Motricularbeiträge vertreten, wie einige Heißsporne der
Fortschrittepartei die Conservirung derselben in dem bieherigen Umfang, ist
begreiflich. Die große Frage war nur, wie der zeitige Finanzminister sich
zu dieser Angelegenheit und damit zu den Idcen des Fürsten Bismarck Fot
stelle. Die Trockenheit des Camphausen'schen Expose's über die preußische
Finanzlage bei Gelegenheit der Einbringung des Etats hatte vielfache Com-
mentare hervorgerufen; seine absolute Zurückhaltung erschien um so auffälliger,
als in sonst unterrichteten Kreisen seine Stellung für fester denn je gehalten
wurde. Im Laufe der ersten Berathung des Etats nun läßt Camphausen
den Schleier ganz fallen und sagt klar und deutlich, was er will und nicht
will. Der Finanzminister erklärt auf das bestimmteste: die Vermehrung der
Erträge der indirekten Steuern sei dringend geboten, und zwar im Interesse
der Particularstaaten. Die Mittel, welche der preußische Staatshaushalt an
die Hand gebe, seien unzureichend. Andrerseits aber könne er zu einer völ-
ligen Beseitigung der Matricularbeiträge nicht die Hand bieten; der Neeichs-
tag könne derselben nicht entbehren. (Bravo! auf der Linken.) Wenn das
Land es wünsche, könne man in der Steigerung der Einnahmen aus den in-
direkten Steuern über das Maß des für das Reich absolut Nothwendigen
hinausgehen und den Mehrertrag zwischen dem Reich und den Particular=
staaten theilen, so daß diese in die Lage kämen, gewisse Beträge der direkten
Steuern den Communalverbänden zu überlassen. Ueber das Wie der Steige-
rung der indirekten Steuererträge will dagegen Camphausen sich nicht aus-
sprechen. Solche Vorschläge vorher ankündigen wäre leichbebeutend mit Pa
ralisirung derselben. Er erinnert daran, daß im ahre 1873 der Plan der
Erhöhung der Tabaksteuer gerade deßhalb gescheitert sei, weil dur die Be-
rufung der Sachverständigen-Commission zur Besch chaffung eines Ersa 5 sür
die Salgzsteuer die Absicht der Steuererhöhung zu früh bekannt geworden sei.
Es ist vielleicht nicht unabsichtlich, daß Camphausen nur von einer Erhöhung
der Tabaksteuer spricht, während neuerdings vielfach die Einführung des
Tabak-Monopols befürwortet wird. Beispielsweise ist es bekannt, dah die
hessische und die württembergische Regierung zu den Anhängern des Mono-
pols gehören. Zum Schluß # ht sich Camphausen zur Abwehr der Augrife
welche die Abgeordneten v. 276 litz, v. Rauchhaupt und ihr Antipode,
Richter- -pagen. gegen die preußische Finanzlage berichtet hatten, in einer aleu-
stellung der wirklichen Verhältnisse, indem er namentlich auf den Reichthum
hinweist, welchen der preußische Staat in seinen Domänen und Forsten besitze.