184 Hos beuliche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Nov.)
auf die Wahlergebnisse des letzten Jahres ein bedeutender Rückgang
der nationalen und liberalen Erfolge constatirt. Sowohl die Er-
gebnisse der Landtags= als der Reichstagswahlen seien Beweise dafür.
Abgesehen von ultramontanen und demokratischen Wühlereien tragen
daran kleinliche Kirchthurmsinteressen die Schuld. „Die Sorglosig-
keit, um nicht zu sagen die souveräne Verachtung, mit welcher die
schwäbischen Liberalen von jeher im Gefühle ihrer Sicherheit auf die
Kämpfe der Liberalen in Baden, Hessen und Bayern geblickt haben,
rächt sich jetzt bitter und die Ultramontanen benützen allen Anzeichen
nach mit Eifer die ihnen nur zu günstige Situation.“
— November. (Hessen.) Die Regierung scheint gegenüber
der sog. freien Protestantenbewegung keine freundliche Stellung ein-
nehmen zu wollen; sie hat nämlich den freiprotestantischen Gemein-
den aufgegeben, bis 3. Dezember d. J. nachzuweisen, ob ihre Kinder
vom 12. Jahre an Religionsunterricht genießen oder nicht. Kann
dies nicht überall nachgewiesen werden, dann scheint man genügen-
den Grund gefunden zu haben, diesen Gemeinden ihre Lebensfähig-
keit abzusprechen, bezw. denselben die Bestätigung zu versagen.
— November. (Preußen — Waldeck.) Preußen schließt mit
den Fürstenthümern Waldeck und Pyrmont einen neuen Accessions=
vertrag auf 10 Jahre ab.
Derfelbe enthält im Vergleich zu dem gegenwärtigen Zustande sehr
wesentliche, für die Fürstenthümer günstige Aenderungen. Abgesehen davon,
die dem Lande zukommenden Einkünfte des Stiftes Schaaken, welche
dand den Vertrag von 1867 dem Fürsten zugewiesen waren, fortan in die
staatliche Verwaltung übergehen, ist vor Allem das — Verhältniß be-
treffs der Beitragspflicht des Domaniums zu den Kosten der Landesverwal-
kung wieder hergestellt. Der bisherige Vertrag enthielt über das Domanium
lediglich die ausdrückliche Bestimmung: „Es findet ebensowenig einerseits ein
Geldbeitrag des Domaniums zu den Landesausgaben, wie andrerseits eine
Mitbenutzung der Landesdienststellen durch die Domanialverwaltung statt.“
Die finanzielle Verpflichtung Preußens, den die eigenen Einnahmen incl. des
Feitrant aus dem Domanium übersteigenden Bedarf des Landes aus preußi-
schen Mitteln zu decken, ist unverändert geblieben. Sind somit die Wünsche,
welche die waldeckische Bevölkerung betreffs des neuen Vertrags berechtigter-
weise stellen konnte, in fast unerwartetem Maße befriedigt worden, so sind
dagegen die waldeckischen Staatsbeamten vesta schlechter gefahren. Nach dem
Vertrag von 1867 waren dieselben preußische Unterthanen, und in dem
Schlußprotokoll zu diesem Vertrage wurde bestimmt, daß es für d en Fall der
Auflösung des Vertrags den zur Dienstleistung in den Fürstenthümern be-
finlife Justiz= und Verwaltungsbeamten überlassen bleiben solle, ob sie im
chn Staatsdienst verbleiben oder ob sie mit Bewilligung des Fürsten
ürstlichen Dienst übertreten wollten. In dem neuen Vertrag ist die
Qualität der waldeckischen Staatsbeamten als preußische Unterthanen in
Wegfall gekommen, und es ist offenbar darauf angelegt, die waldeckischen
Beamten aus dem preußischen Staatsverband und Staatsdienst zu entfernen,