Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

186 H%os brische Reich und seise einzelnen Glieder. (Dez. 2—4.) 
2. Dezember. (Bayern.) Nachdem hinsichtlich der diploma- 
tischen Vertretung Bayerns an die Stelle von außerordentlichen 
Gesandten und bevollmächtigten Ministern in London, Paris und 
Brüssel schon vor einigen Jahren Geschäftsträger getreten sind, ist 
dies nun neuerdings auch in St. Petersburg der Fall, und jetzt 
hat Bayern außerhalb des deutschen Reiches außerordentliche Ge- 
sandte und bevollmächtigte Minister nur noch in Wien, in Rom, bei 
dem König von Italien und beim Papst, und in Bern, doch ist der 
Gesandte bei der Schweiz gleichzeitig auch bei der großh. badischen 
Regierung beglaubigt. 
3. Dezember. (Preußen.) Abg.-Haus: Justiz-Commission: 
beschließt mit 15 gegen 11 Stimmen auf Antrag des Abg. Lauen- 
stein, im Schlußsatze des § 18 des Ausführungsgesetzes zum deut- 
schen Gerichtsverfassungsgesetz: „Der privilegirte Gerichtsstand der 
Standesherren und der Mitglieder der Familien derselben bleibt un- 
berührt“, an Stelle der Worte „bleibt unberührt“ zu setzen: „wird 
aufgehoben“. 
4. Dezember. (Deutsches Reich.) Bei der Aussichtslosigkeit 
einer baldigen Wiederkehr einer friedlichen Weltlage und der dadurch 
gesteigerten Ungunst der allgemeinen wirthschschaftlichen Verhältnisse 
bieten die wachsenden Bedürfnisse der Verwaltung des Reiches wie 
der Einzelstaaten in finanzieller Beziehung so große Schwierigkeiten, 
daß mit der Aufsuchung weiterer Mittel zur Befriedigung der gel- 
tend gemachten Ansprüche die Frage einer durchgreifenden Steuer- 
reform immer mehr in den Vordergrund der politischen Presse tritt. 
Dabei gewinnt das Project einer ausgiebigen Erhöhung der dem 
Reiche zugewiesenen indirekten Steuern anscheinend immer mehr An- 
hänger und wird namentlich die Idee einer bedeutend höheren Be- 
steuerung des Tabaks, ja selbst die Einführung des Tabakmonopols 
mit steigendem Eifer erörtert. 
4. Dezember. (Preußen.) Abg.-Haus: erste Berathung der 
Novelle zur Städteordnung. Erklärung des Ministers v. Friedenthal: 
Der vorliegende Entwurf bilde nur eine Ergänzung des Zuständigkeits- 
gesetzes und erfülle den dort gemachten Vorbehalt. Die Novelle biete nirgends. 
eine Verstärkung der bureaukratischen Machtbefugnisse der Regierung und ihrer 
Organe, sondern überall eine Abtretung solcher Befugnisse an die Verwal- 
tungsjustiz und die Laienelemente. Den Abschluß der einschlägigen Gesetz- 
bbung solle die Novelle keineswegs bilden. In Betreff der Details bemerle er: 
bweichend von den früheren conventionellen Feststellungen sind sämmtliche 
Städte dem Bezirksrath unterstellt. Dies sei aber lediglich eine Zweckmäßig- 
keits-, keine prinzipielle Frage. Anlangend den Fertaang. der Verwaltungs- 
reform erklärt der Minister: Ein materielles Inhaltsverzeichniß vorzulegen,
	        
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