Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

250 Grshbriltanzien. (Febr. 28. — März 11.) 
sich auf beiden Seiten des Hauses nur sehr kleine Häuflein von Zuhörern 
eingefunden; gegen 8 Uhr, die übliche Speisestunde, hatten auch diese sich 
ihrer Wege getrollt, und als eine halbe Stunde später Lord Campbell auf 
Abstimmung über seinen Antrag auf Erlaß einer ein Mißtrauensvotum 
gegen das Ministerium involvirenden Adresse an die (igi drang, rich- 
tiger gesagt, dessen Zurücknahme verweigerte, da bot der geräumige Saal 
das seltene, höchst lächerliche Schauspiel, daß der genannte edle Lord gänz- 
lich vereinsamt zur Linken des Wollsackes saß, während die Rechte nur durch 
vier Mitglieder des Ministeriums (der Premier war durch einen Gichtanfall 
an seine Wohnung gefesselt) vertreten war. Von diesen Bieren wurde denn 
der Antrag einstimmig abgelehnt. Alle Anderen hatten Reißaus genommen.“ 
Diese Beschreibung, bemerkt der „Schw. M.“, vollendet den Eindruck der Un- 
erheblichkeit, ja gänglichen Werthlosggkeit bieser täglichen Orientplaudereien 
im britischen Parlament. Es ist kein Wunder, wenn die edlen Lords selber 
aus dem Saale fliehen, sobald wieder einer von Bulgarien oder von der 
Conferenz oder vom Pariser Vertrag von 1856 zu reden anfängt. Ni 
würdeloser, als diese täglichen Kannegießereien, die sich ewig in demsel 6 
Kreise bewegen. Man kann sich gar nicht genug darüber freuen, daß unfer 
deutscher Reichetag sich aller müßigen Geschwätigkeit über die auswärtigen 
Fuagen gründlich enthält, was ihm freilich auch dadurch erleichtert wird, 
das ganze Volk ein unerschütterliches Vertrauent #in die so starke, als 
wesse Hand besitt, die unsere auswärtige Politik le 
28. Februar. Ignatieff geht im nurtan des russischen Ca- 
binets nach Wien, Berlin, Paris und endlich auch nach London, 
um Erklärungen über die wirklichen Absichten des Cabinets von 
St. Petersburg abzugeben und eine friedliche Lösung zu erleichtern. 
4. März. Die brittische Regierung OÖstindiens schließt mit 
dem Khan von Khelat einen Vertrag, 
kraft dessen die erstere dem Khan gegen innere und äußere winde 
Unterstützung gewährt und ihm eine jährliche Subsidie von 10,000 Pfd. 
zahlt, wogegen ihr das Recht zusteht, die Hauptstädte des Khanats Aann 
zu besetzen, Eisenbahnen und Telegraphen anzulegen, sowie Forts zu errich- 
ten. Derselbe wird als ein Schachzug Englands gegen Rußland und Persien 
aufgefaßt. indem lepteres durch die stete Kriegsgefahr verhindert werden soll, 
alle eines russisch-türkischen Krieges als Alliirter Nühlamd aufzutreten. 
Buch die Streitigkeiten Englands mit den Kohat-Paß Afridis sind beigelegt. 
Die Miridis haben sich unterworfen und 30 Geiseln gestellt. Der Bau der 
Straße an der nördlichen Seite des Kohat-Passes soll unverzüglich in An- 
griff genommen werden. So ist England jetzt Herr aller drei Fase. Bolan, 
Keiber und Kohat, die nach Afghanistan führen und kann in jedem Angen- 
blick seine an der Grenze versammelten Truppen — als Freunde oder Feinde 
— hinüberschicken. 
11. März. Rußland schlägt England die Unterzeichnung eines 
Protokolls durch die Mächte, und zwar in London, vor, welches die 
durch den Mißerfolg der Konstantinopler Conferenzen bereitete Lage 
„sozufagen zum Abschluß bringen, die Zusage der Pforte auf Ein- 
führung von Reformen bestätigen und solche Reformen auf Grund 
des Rundschreibens von Savfet Pascha aufzählen würde, um dadurch
	        
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