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sammenhang und wo, wie z. B. bezüglich der Serben, der nicht
österreichische Theil des Stammes eine gewisse politische Selbständig-
keit erlangt hat, da gravitiren die österreichischen Slaven ganz ent-
schieden dahin und streben nach einer Vereinigung mit denselben.
Dieser Moment droht die österreichische Monarchie früher oder später
auseinander zu sprengen und obgleich auch diese Gefahr Oesterreich
noch nicht gerade nahe sleht, so steht sie ihm doch entschieden näher
als die zuerst angedentete Eventualität. Sie würde aber Oesterreich
näher treten und für dasselbe schnell zu einer brennenden Frage
werden, wenn sich aus der europäischen Türkei größere slavische
Nationalstaaten herausbilden und eine gewisse politische und natio-
nale Selbständigkeit erlangen sollten. In diesem Falle würde sich
das Gesetz der Schwere auch politisch für Oesterreich geltend machen.
Die österreichische Regierung, zumal die magyarischen Elemente der-
selben, geben sich denn auch bezüglich dieser Gefahr keinerlei Illu-
sionen hin und sobald daher in den letzten Jahren die orientalische
Frage wieder auflebte und zu Ende des Jahres 1876 brennend
wurde, erklärte Oesterreich auf's bestimmteste, daß die Bildung
größerer, selbständiger flavischer Nationalstaaten innerhalb der euro-
päischen Türkei mit seinen Interessen nicht vereinbar wäre und daß
es eventuell entschlossen sei, eine solche Bildung seinerseits nicht zu
dulden. Der Aufgabe, den unter der türkischen Mißregierung schmach-
tenden flavischen Völkerschaften, zumal denjenigen zunächst an seiner
Grenze, in der Herzegowina und in Bosnien, zu einem besseren,
menschenwürdigeren Zustande zu verhelfen, konnte sich dagegen Oester-
reich nicht entziehen, so lange es sich darum handelte, dies in Ge-
meinschaft mit anderen europäischen Mächten und ohne die Integrität
der Pforte anzutasten, zu erzielen. Von diesem Standpunkte ging
die Note Andrassy's von 1875 aus, von ihm aus konnte Oesterreich
dem Berliner Memorandum immerhin noch beistimmen und auch
an den Konstantinopler Conferenzen von 1876 Theil nehmen. Aber
eine durchaus verschiedene ward seine Lage, als Rußland mobilisirte
und Kaiser Alexander erklärte, die flavische Sache in seine Hand
nehmen zu wollen. Was für neue politische Bildungen ein glück-
licher Krieg Rußlands gegen die Türkei mit sich bringen konnte,
mochte Oesterreich nicht wissen, Rußland vielleicht zum voraus selbst
nicht. Daß indeß Rußland sich mit einiger allmäliger Verbesserung
des Looses seiner Stammesgenossen in der Türkei begnügen würde,
war von vorneherein ganz und gar unwahrscheinlich, welche allge-