Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achtzehnter Jahrgang. 1877. (18)

64 H desche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 7.) 
verwaltung der Distrikte, bzw. Bezirke, Wahrung des Einspruchsrechtes der 
Gemeinden bei Ansässigmachung und Verehelichung. 
7. März. (Preußen.) Der Entwurf eines allgemeinen Unter- 
richtsgesetzes für Preußen ist endlich nach mehrjährigen Berathungen 
im Unterrichtsministerium in 625 Paragraphen vollendet worden. 
Die Motive sind bis jetzt nur flüchtig skizzirt, und der Unterrichts- 
minister Falk will die Motivirung sorgfältig in doppelter Lesung 
feststellen. Erst dann kann der Entwurf an die anderen Ministerien 
zur Prüfung übergeben werden, welche dabei ein gewichtiges Wort 
zu sprechen haben; denn dem Finanzminister z. B. wird durch das 
neue Unterrichtsgesetz eine Mehrausgabe von 12 oder mehr Millionen 
Mark angesonnen. Die Veröffentlichung des Elaborats wird daher 
angesichts der noch zu durchlaufenden Stadien immerhin noch nicht 
so bald erwartet. 
Der Erlaß eines allgemeinen Unterrichtsgesetzes steht in Preußen schon 
seit Jahren auf der Tagesordnung und bildet eine nicht bloß für Preußen, 
sondern für ganz Deutschland überaus wichtige Aufgabe, läßt sich doch nicht 
leugnen, daß Preußen vielfach den Ausgangspunkt für das ganze moderne 
Schulwesen gebildet hat und noch bildet. 
Als Schöpfer der breuhischen VBolksschule ist Krirdrich Wilhelm I. 
anzusehen, da er den Schulzwang einführte, auf seinen der Beobachtung des 
Volksschulwesens gewidmeten Reisen die Behörden (Königsberg, 1718) er- 
mahnte, „mit zusammengesetzten Kräften der Unwissenheit abzuhelfen“. Er 
erließ die Principia regulatinn, die, wenn auch nur für einzelne Landestheile 
giltig, doch einen Versuch zur Lösung der Unterhaltungsfrage der Volksschule 
kennzeichneten; doch sollte nach denselben der Lehrer, um nicht ganz und gar 
der Gemeinde zur Last zu fallen, sich etwas daneben verdienen können. 
es daher auch keinen eigentlichen Lehrerstand, und wurde das Unterrichten 
nur als Nebenbeschäftigung von Handwerkern und Arbeitern versehen, so 
wurde doch ein Grund gelegt, auf dem weitergebaut werden Malte und konnte. 
Diesen Weiterbau unternahm auch Friedrich der Grobe, dessen Thätig- 
keit für das Volksschulwesen in drei Zeitabschnitte zerfällt. In den ersten 
Jahren seiner Regierung nahmen die schlesischen Kriege und die Organisirung 
der neugewonnenen Provinz derart seine Kräfte in Anspruch, daß für das 
Hchulwesen nur sehr wenig geschehen konnte, und erst mit dem Schlusse des 
siebenjährigen Krieges begann Friedrich namentlich jür Landschulen eine regere 
Thätigkeit zu entwickeln, die das General-Landschul-Reglement 1703 zu Tage 
förderte. Im dritten Abschnitte sehen wir den Eifer Friedrich's erkalten, da 
er sich in seinen Hoffnungen über den Erfolg getäuscht sah und ihn der 
offene Widerstand unmuthig gemacht hatte. 
Mit dem Regierungsantritte Friedrich Wilhelm's II. wurde auf An- 
trag des freisinnigen Ministers v. Zedlih 1787 für die Schulverwaltung eine 
selbständige Oberbehörde geschaffen, und man hätte erwarten sollen, daß das 
Schulwesen sich auf freihetlicher Basis weiterentwickle. Aber Zedlitz wurde 
verdrängt und das bekannte Wöllnerische Religions-Edict, durch welches die 
Schule wieder der Kirche übergeben wurde, erlassen. Zur selben Zeit voll- 
endete der Großkanzler v. Cramer gemeinsam mit dem geh. Justizrathe Suarez 
das von Friedrich dem Großen ausgegangene „Allgemeine Landrecht“, das für 
das Schulwesen vier Grundprinzipien aufstellt: die Schule als Staatsanstalt, 
 
	        
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